Djukanović unter Druck

Die Regierungskoalition zwischen dem Bündnis von Montenegros Präsidenten und den Liberalen kommt nicht zustande. Jetzt droht Djukanović sogar die Entmachtung

BELGRAD taz ■ Der Präsident Montenegros, Milo Djukanović, wird immer nervöser. Ministerpräsident Filip Vujanović wirkt verunsichert. Und Djukanović’ persönlicher Berater, Miodrag Vuković, hielt die Ungewissheit nicht mehr aus und musste wegen Herzleiden ins Krankenhaus gebracht werden. Das Unvorstellbare ist plötzlich sehr realistisch: Die bisher regierende Koalition „Sieg Montenegros“ muss machtlos zusehen, wie ihr schärfster Gegner, die Koalition „Für Jugoslawien“ und der „Liberale Bund Montenegros“ (LSCG), über eine gemeinsame Regierung und somit die Entmachtung von Djukanović verhandeln.

Spätestens am Sonntag wurde klar, dass das beidseitige Ziel einer Unabhängigkeit Montenegros für eine gemeinsame Regierungsbildung zwischen Präsident Djukanović und dem LSCG nicht ausreicht. Die Liberalen hatten vor den vorgezogenen Parlamentswahlen am 22. April die Wähler aufgerufen, sie stark zu machen, um Djukanović „erpressen“ zu können. Ihr Versprechen hielten sie: Der LSCG mit nur 6 von 77 Abgeordneten im Parlament forderte unter anderem die „völlige“ Kontrolle über das Innen- und Justizministerium, was Djukanović zähneknirschend annahm. Als Miodrag Zivković, Chef der LSCG, obendrein von der Koalition „Sieg Montenegros“ forderte, ihm 5 von ihren 36 Mandaten im Parlament zu überlassen, war Djukanović der Preis für die Machterhaltung doch zu hoch.

Die Verhandlungen über eine gemeinsame Regierung zwischen den als „Hardcore-Sezessionisten“ geltenden, in der Althauptstadt Cetinje residierenden Liberalen und den „kompromisslosen“ Kämpfern für die Erhaltung der Föderation zwischen Serbien und Montenegro aus der Koalition „Für Jugoslawien“ begannen gestern. Eine Koalition zwischen den beiden Blöcken ist nur auf den ersten Blick unlogisch: Beide bezeichnen Djukanović als einen „Mafioso“, beschuldigen ihn, aus Montenegro einen repressiven Polizeistaat gemacht zu haben, und werfen seiner Regierung „Korruption“ und „illegale Geschäfte“ vor.

Die Grundlage der Verhandlungen ist zunächst, Djukanović zu entmachten und dann ein Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros auszuschreiben. Sollten sich die Liberalen mit den jugoslawisch orientierten Parteien nicht einigen, stehen Montenegro wieder vorgezogenen Wahlen bevor.

Eine Koalition zwischen „Sieg Montenegros“ und „Für Jugoslawien“ ist zwar nicht auszuschließen, doch kann man davon ausgehen, dass Djukanović diese politische Erniedrigung nicht auf sich sitzen lassen kann. Was immer geschieht, „Djukanović steht schon jetzt dumm da“, meint ein im Umgang mit lokalen Politiker erfahrener Kellner in Podgorica und bringt die für den Präsidenten fast aussichtslose Situation auf den Punkt.

Djukanović, der seine politische Karriere mit der Unabhängigkeit Montenegros verbunden hat, muss nun für seine Fehleinschätzung bezahlen: Die Unterstützung der Bürger für das Projekt der Sezession blieb unter fünfzig Prozent, die vorgezogenen Parlamentswahlen beendeten seine Alleinherrschaft. Einem autoritären Balkanpräsidenten, der seit Jahren Polizei, Wirtschaft und Medien kontrolliert und nur knapp die absolute Mehrheit im Parlament verfehlt hat, würde es schwer fallen, zugunsten seiner schärfsten Feinde abzudanken. ANDREJ IVANJI