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„Das soll unser Gorleben werden“

■ Selbst die konservativen Landwirte wehren sich inzwischen gegen das geplante atomare Zwischenlager in Esenshamm / Landkreis entscheidet im Sommer, ob Bausperre rechtens ist

Heinrich Brader ist Bauer. Kein radikaler Kernkraftgegner. „Wir haben den Politikern alles geglaubt. Wir haben gehofft, vom Bau des Kraftwerks zu profitieren. Haben wir ja auch“, gibt er zu. Heute ist Brader einer der Sprecher der Aktion Z, einer Bürgerinitiative aus Umweltschützern, Anti-Atombewegung und BürgerInnen, die gegen das geplante Zwischenlager am Atomkraftwerk Unterweser bei Esensham Front macht. Brader ist außerdem Vorsitzender des Landvolkvereins. Hinter ihm stehen die eher konservativen Bauern.

„Ich bin stutzig geworden, als die Politiker sagten, baut schon mal das Zwischenlager, bis 2030 haben wir ein sicheres Endlager, dann seid ihr den Atommüll los“, so Brader. Gleiches war schon 1976 angekündigt worden. Da wurde unter der Verantwortung der Stadt Nordenham und des Altkreises Esens das AKW Unterweser gebaut. „2000 haben wir die Entsorgung des Atommülls geregelt, macht euch mal keine Sorgen, haben uns die Politiker belogen. Nichts ist bis heute geregelt“, schimpft der Bauer.

Die Wut der Aktion Z bekam die Verwaltung der Gemeinde Stadland mit Sitz in Rodenkirchen zu spüren. Noch 1999 hatte sie den Beschluss gefasst, das AKW Esensham solange am Netz zu lassen, wie irgend möglich. Nach dem Bauantrag des AKW-Betreibers E.on für ein Zwischenlager ratterten 60 Schlepper vor das Gemeindehaus in Rodenkrichen. Die Aktion Z erzwang im Januar eine vorläufige Sperre gegen das Bauvorhaben der E.on („Ich und mein E.on“). „Wir stellen aber klar, dass der Gemeinderat sich nicht gegen Atomkraft ausgesprochen hat“, sagt Michael Heibült, Sachbearbeiter bei der Gemeinde für Baufragen. „Die Gemeinde hat nur festgestellt, dass ein Zwischenlager, ohne die Klärung der Endlagerfrage, für die Gemeinde Stadland eine unzumutbare Belastung wäre“, so Heibült gegenüber der taz. Auf Hinweis der Bezirksregierung Weser-Ems muss der Landkreis nun prüfen, ob die Bausperre rechtens ist. „Sehr kompliziert, wir entscheiden bis zum Sommer“, heißt es dazu.

Für die Gegner der geplanten Anlage indes ist der Fall klar: Kein Atommüll-Zwischenlager in der Wesermarsch für das AKW Unterweser bei Esenshamm, schickt die Castoren lieber nach Gorleben! Das ist, boshaft formuliert, der Standpunkt der Gemeinde Stadland mit Sitz in Rodenkirchen und der Bürgerbewegung Aktion Z.

Selbst der hochangesehene und hochbetagte Landrat Udo Zempel (SPD) konnte die Menschen in der Wesermarsch nicht umstimmen. Ein erkenntnisschwerer Dialog. Zempel: „Wir haben die Kernkraft gewollt. Und wer A zur Kernkraft sagt, der muß auch B zum Zwischenlager sagen.“ Darauf eine junge Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm: „Falsch, ich habe nie ja zum Atomstrom gesagt und sagte auch nicht B zum Zwischenlager, das bin ich meinem Kind schuldig.“

Das AKW Esenshamm ist schon seit langem im Gerede. 1976 fertiggestellt, kritisierten Fachleute gleich die veralteten Baukonzepte. Eine Sicherheitskommission bescheinigte dem AKW Sichertheitslücken. So verfüge Esenshamm über keinen Berstschutz und nur über eine 80 Zentimeter dicke Prallkuppel. Üblich sind 200. Bei einer explosiven Kernschmelze blieben knapp drei Stunden um die Bevölkerung vor einem Super-Gau wie in Tschernobyl zu schützen, so der Kommissionsbericht.

Nachdem das Land Niedersachsen 1993 in einer Schwachstellen- Studie insgesamt 14 gravierende Mängel im Sicherheitssystem des AKW feststellte, forderten Atomgegner, die Anlage sofort abzuschalten. Geschehen ist nichts, das Land löste nur die Sicherheitskommission auf. Am 6.Juni 1998 musste das AKW wegen eines technischen Fehlers kurzzeitig vom Netz genommen werden. „Wir erfahren erst heute viele Details, die wir damals nirgendwo gehört oder gelesen haben“, erinnert sich Hinrich Brader Sprecher der Aktion Z. Am 29. Juni besuchte der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) das AKW und wunderte sich laut über die schweren Mängel in der Arbeitsweise der Angestellten im AKW. Atomkraftgegner wie der Oldenburger Energierat halten dagegen: „Nicht die Mannschaft des AKW produziert die Fehler, das Sicherheitssystem ist der Fehler.“ Kurz danach kam es erneut zu einem Störfall.

„Der Atomaustieg dauert uns zu lange. Die Reaktoren sollen nur so lange betrieben werden, bis ihre Abklingbecken mit Brennstäben voll sind. Das wäre in Esenshamm bis etwa 2005 der Fall“, formuliert Brader einen Kompromiss. Laut Atomkonsens zwischen Bundesregierung und Atomindustrie darf Unterweser zurzeit bis 2015 am Netz bleiben. „ E.on will eine Halle für 80 Castoren bauen. Esenshamm benötigt für seinen Atommüll aber nur eine für 40 Castoren. „Esensham soll unser Gorleben werden“, Kernkraftgegner befürchten die Einrichtung eines Endlagers durch die Hintertür. „Sowas wollen wir hier nicht.“ Soll dann der Atommüll doch lieber gleich nach Groleben? „Zumindest muss das Problem des Endlagers gelöst sein –ohne dass hier Brennstäbe gelagert werden“, meinen Brader und die Gemeinde. Thomas Schumacher

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