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Die Ärzte sagen Nein

Präimplantationsdiagnostik? Beim größten medizinethischen Kongress der Republik schweigt die Gesundheitsministerin

aus Erlangen BERND SIEGLER

Dass man sie als „netteste Beruhigungspille“ bezeichnet, entlockt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt noch ein Lächeln. Das Attribut „nett“ gefällt ihr. Aber einen „Schmusekurs“ in den Auseinandersetzungen um die zukünftige Gesundheitspolitik will sie sich nicht vorwerfen lassen. Das weist die Ministerin auf dem internationalen Kongress „Medizin und Gewissen“ in Erlangen lautstark zurück. Allerdings hat sie dem Vorwurf durch ihr Verhalten just neue Nahrung gegeben.

Mitten in der breiten Debatte um die Grenzen der Gentechnik und vor allem die Präimplantationsdiagnostik (PID, siehe nebenstehender Kasten) scheute Schmidt (51) den Konflikt – und schwieg.

Mehrfach schon in den letzten Wochen hatte sich die Gesundheitsministerin für die umstrittene Untersuchung von im Reagenzglas befruchteten Eizellen auf Erbkrankheiten vor dem Einsetzen in die Gebärmutter ausgesprochen. Es könne nicht sein, dass die Auslese erbgutgeschädigter Embryonen verboten, zugleich aber die Abtreibung eines behinderten Fötus während der Schwangerschaft erlaubt sei. Im Gegensatz dazu findet beispielsweise Partei- und Kabinettskollegin Herta Däubler-Gmelin (SPD), Kinder seien „keine Ware, die man bei Nichtgefallen umtauschen kann.“

Drei Tage dauerte dieser Kongress mit seinen 60 Veranstaltungen und rund 1.300 Teilnehmern. Darunter waren über 140 namhafte Ärzte, Grundlagenforscher, Pflegewissenschaftler, Historiker und Juristen – und ausgerechnet bei diesem größten medizinethischen Treffen der Republik und in Anwesenheit von Mitgliedern der unterschiedlichsten Ethik-Kommissionen bezog die Gesundheitsministerin keine Stellung.

Der Veranstalter, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) jedenfalls lehnt PID als „Einfallstor eines entmoralisierten Umgangs mit menschlichen Embryonen“ strikt ab. Die Ärzteorganisation hält Selektion menschlicher Embryonen aufgrund ihrer genetischen Unerwünschtheit für „mit dem ärztlichen Heilauftrag nicht zu vereinbaren“.

Klare Position bezog der Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Er forderte den Gesetzgeber auf, endlich die Gesetzeslage zu klären. PID ist in elf Ländern der EU erlaubt, in drei explizit verboten. In Deutschland ist PID noch nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. Hoppe kritisiert den derzeitigen „unterschiedlichen Schutz des Menschen von der befruchteten Zelle bis zum Greis“. Er führt dazu an: die Pille danach, die Abtreibung bis zur 12. Woche, die Abtreibung bis zur Geburt bei medizinischer Indikation und den Schutz des Kindes, das eine Abtreibung überlebt hat.

„Die Situation für Frauenärzte und Perinatalmediziner ist unerträglich, hier muss rasch etwas geschehen“, sagt der Ärztepräsident. Für ihn gibt es keinen Grund, warum nach momentaner Rechtslage ein Embryo im Reagenzglas nicht, im Mutterleib aber jederzeit auf Erbkrankheiten untersucht werden darf. „Eine Diskussion über PID wäre überflüssig, wenn wir in Deutschland und darüber hinaus Behinderte ohne Wenn und Aber akzeptieren würden.“

Keine Forschungs-Embryonen

Der Ärztepräsident warnt vor dem Irrglauben, mit einem Verbot von PID sei „die Welt in Ordnung“. Er verweist dabei auf die bereits vorhandenen Möglichkeiten der Pränataldiagnostik und der vor zwanzig Jahren zum ersten Mal in Deutschland, in Erlangen, gelungenen In-Vitro-Fertilisation. Für Hoppe war das „damals der Dammbruch“. Für den Fall einer Zulassung von PID verlangt er „strengste Indikationen“.

Beim zweiten in der Biomedizin derzeit heftig umstrittenen Projekt, der so genannten embryonalen Stammzellenforschung, sind sich Gesundheitsministerin und Ärztepräsident zum Teil einig. Beide lehnen die Herstellung von Embryonen für die Forschung ab. „Niemals dürfen wir menschliches Leben herstellen, um es zu Forschungszwecken zu vernichten“, sagte Ulla Schmidt. Der Ärztepräsident befürwortet nur die Forschung an so genannten adulten und aus Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen.

Strittig ist auch die Frage, ob die etwa 150 aus In-Vitro-Fertilisationen übrig gebliebenen und derzeit tiefgefrorenen befruchteten Eizellen zur Forschung verwendet werden dürfen. Dies hatten die Deutsche Forschungsgemeinschaft und auch Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) gefordert.

Wie hält es die Gesundheitsministerin? Auch dazu kein Wort.

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