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Grimmassier-Marathon

■ Drei Wochen Nonstop-Kabarett in den Kammerspielen

Fehlt einem ein Gliedmaß und man fühlt dort trotzdem etwas, heißt das bekanntlich Phantomschmerz. Die Kammerspiele nennen ihr 15. Hamburger Kabarettfestival (1.-24.Juni) Phantomstolz. Beim größten und angesehensten Festival seiner Art versammelt sich dort wieder einiges an Rang und Namen. Unter den 16 Programmen sind zwei Deutschland- und sieben Hamburg-Premieren.

Zum Auftakt präsentiert Matthias Beltz sein aktuelles Programm Eigenes Konto, das um den bedauerlichen Wandel von Moral zu Nationalstolz kreist. Auch Matthias Deutschmanns Intermezzo schießt in Richtung Berliner Republik. Mit von der Partie sind auch die Scheibenwischer-Dauergäste Mathias Richling und Georg Schramm. Klaus Pohl gibt sich mit gleich zwei Programmen die Ehre.

Den Bogen vom Autobiographischen zum Allgemeinen schlägt der Passauer Sigi Zimmerschied: In Ihobs beweist er, dass seine bayrische Heimatstadt näher liegt, als manchem lieb ist. Erwin Grosche entdeckt gar Gemeinsamkeiten zwischen Paderborn und Helsinki. Als „Bühnenverwandter von Kaurismäki“ kommt er mit Herr Helsinki will nicht Hauptstadt werden zwar auf leisen Sohlen daher, dafür aber mit erheblich Sinn für Kurios-Absurdes.

Musikalisches steuert die einzige Frau des Festivals, Betancor alias Popette, bei. In der Deutschland-Premiere von Elektrisch bringt sie erstmals ihre pointierten Texte nicht nur mit Klavier und Trompete, sondern auch mit E-Gitarre und Sampler zusammen. Musik liefert ebenfalls das Trio Ars Vitalis in seinem Genre-Mix wiese seen sehnse nix. Den negativen Aspekten der Spaßgesellschaft widmet sich Michael Quast mit seinem Programm Hörsturz.

Peter Franke spielt in der zweiten Deutschland-Premiere des Festivals szenische Monologe des Nobelpreisträgers Dario Fo und erzählt über seine Begegnung mit demselben. Im Logensaal zeigen sich aber auch ganz neue Gesichter – und zwar österreichische: Entdecken Christian Hölbing und Severin Groebner den Wahnsinn ganz normaler Menschen, taucht Ludwig Müller in Blaues Blut – Jackpot in die Welt der Reichen und Schönen ein und berichtet von Prinzessinnen, deren Gatten in spe Lippizaner sind. Liv Heidbüchel

Matthias Beltz: 1.+2.6., Matthias Deutschmann: 7./8.6.; Mathias Richling: 9.-17.6.; Georg Schramm: 21.-24.6., Klaus Pohl: 10.,11.+13.6., Sigi Zimmerschied: 17.+18.6., Erwin Grosche: 20.6., Betancor: 5.+6.6., Michael Quast: 3.+4.6., Peter Franke: 19.-21. 6., Christian Hölbing: 7.-9.6., Severin Groebner: 14.-16.6., Ludwig Müller: 22.-24.6. Ars Vitalis: 14.6., Hamburger Kammerspiele

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