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Pack den Kompost in den Tank

Die Firma Kompogas in der Schweiz treibt mit Biogas Autos an. Überschüsse werden ins Erdgasnetz eingespeist

Ein kurzer Halt an der Tankstelle, dann kann der Volvo wieder durchstarten. „Was ich im Tank habe, das waren vor 20 Tagen noch Essensreste“, sagt Beat Sommavilla; eine Tankfüllung von dem ungewöhnlichen Treibstoff reicht dem Firmenwagen für 300 Kilometer. Der Mitfahrer unterdessen bemerkt die innovative Energiequelle nicht einmal. Denn es ist ein ganz normales Auto, von außen wie von innen.

„1 Kilogramm Küchenabfälle = 1 Kilometer Autofahrt“, steht auf einem großen Schild an der Tankstelle in Bachenbülach bei Zürich. Dort lässt sich binnen zwei Minuten jedes mit Druckgas betriebene Fahrzeug mit Biogas betanken.

Direkt daneben steht die Gasquelle: Eine Vergärungsanlage, die jährlich 10.000 Tonnen Grünabfälle aus dem Großraum Zürich verwertet und auf diese Weise CO2-neutral ein Äquivalent von 700.000 Litern Benzin bereitstellt. Die Kommunen liefern ihren Biomüll hier an und bezahlen dafür 149 Schweizer Franken pro Tonne. „Das ist für die Gemeinden billiger als Verbrennen“, versichert die Firma. So ist das Verfahren für alle Beteiligten wirtschaftlich.

Beat Sommavilla ist Marketingchef der Kompogas AG mit Sitz in Glattbrugg bei Zürich. Die Firma verwertet mittlerweile den privaten Biomüll aus 50 Kommunen und vergärt ihn in derzeit fünf Anlagen zu Biogas. Da auf das Biogas in der Schweiz – wie übrigens auch in Deutschland – keine Mineralölsteuer anfällt, fahren die Autos sehr preisgünstig. „Mit Kompogas werden die Autofahrer auch in Zukunft 25 Prozent billiger fahren als mit Benzin“, sagt Sommavilla.

Entsprechend ist das Know-how der Firma auch im Ausland immer stärker gefragt. In Deutschland gibt es erste Kompogas-Anlagen, zum Beispiel in Braunschweig, München, Kempten. Auch in Österreich gibt es sie schon, in Japan entsteht die erste. Zwischen 3.500 und 24.000 Tonnen Bioabfall verarbeitet jede dieser Anlagen jährlich.

Auf die steigende Nachfrage reagierte die Firma mit der Entwicklung einer modular aufgebauten Kompaktanlage, die in kürzester Zeit geplant und aufgebaut werden kann. Ein Modul für 5.000 Jahrestonnen kann jährlich annähernd 1,2 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen. Mit solchen Innovationen konnte das Unternehmen bereits auf 50 Mitarbeiter expandieren.

Firmengründer Walter Schmid aus Glattbrugg hatte die erste Anlage 1992 in Betrieb genommen. Er war zuvor als Unternehmer in der Baubranche sehr erfolgreich und suchte ein Projekt, in welches er seine Erträge ökologisch innovativ investieren konnte. Er fand seinen Weg schließlich in der Kompostveredelung. Ein von ihm geprägter Spruch kursiert noch heute in der Firma: „Lassen wir die Scheichs doch in ihrem Öl schwimmen – wir holen unsere Energie aus Küchenabfällen.“

Sommavilla rechnet vor: Wenn die Kompogas AG den gesamten Biomüll der Schweiz bekäme, könnte sie damit zehn Prozent aller Autos im Land das ganze Jahr über betanken. Der Weg dorthin freilich ist noch weit, doch auch dank einiger Großunternehmen geht es in riesigen Schritten voran: Die Handelskette Migros liefert bereits ihre Bioabfälle, und auch McDonald’s bringt die Reste seiner Buletten zur Kompogas AG.

„Die grüne Tonne ist für uns kein Müll, sondern Rohstoff“, sagt der Vertriebschef. Von jedem Einwohner im Einzugsgebiet sammelt das Unternehmen im Jahr etwa 100 Kilogramm Bioabfälle ein. Doch nicht nur der Kompost aus Haushalt und Gastronomie wird in der Anlage veredelt, sondern auch Rasen- und Baumschnitt, Laub und Mähgut von Straßenböschungen. Sporadisch kommen auch Anfragen von Unternehmern, die irgendwelche Biomasse zu entsorgen haben – doch dabei ist höchste Vorsicht geboten. „Wenn jemand seinen genmanipulierten Mais bei uns loswerden will, hat er kein Glück.“

Jenes Biogas, das derzeit noch nicht von Autofahrern genutzt wird, verstromt die Firma Kompogas im Blockheizkraftwerk auf dem Firmengelände oder speist es ins konventionelle Erdgasnetz der Erdgas Zürich AG ein. „Wir halten uns alle drei Optionen offen, um flexibel auf den Markt reagieren zu können“, heißt es bei der Kompogas AG: tanken, verstromen, einspeisen.

Aus deutscher Sicht ist derzeit besonders die Einspeisung ins öffentliche Erdgasnetz interessant, nachdem hierzulande ein Gaseinspeisegesetz immer stärker diskutiert wird.

Dass die Einspeisung von Biogas technisch mit vertretbarem Aufwand machbar ist, belegt die Schweiz – bei der Kompogas AG funktioniert das Verfahren ohne Probleme: Das Biogas, das mit einem Methananteil von etwa 60 Prozent aus dem Gärbehälter kommt, wird vor dem Einspeisen von Feuchte und Schwefel befreit. Zudem wird der Stickstoff entfernt, damit ein Gas entsteht, das 96 Prozent Methan enthält. Dann kann es ins öffentliche Gasnetz geblasen werden.

Selbst mit nur 60 Prozent Methangehalt sei eine Einspeisung ins Netz möglich, sagt Sommavilla. Man brauche dann allerdings eine Gasleitung mit ausreichendem und stetigem Durchfluss. Beim Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches heißt es dazu, das entstehende Gasgemisch müsse lediglich „innerhalb der zulässigen Qualitätsgrenzen für das Grundgas liegen“. Der geringere Heizwert ist in diesem Fall lediglich für der Abrechnung relevant.

Wirtschaftlich wie ökologisch gesehen sei derzeit in der Schweiz die Verwendung als Treibstoff aber die günstigste Variante, sagt Sommavilla. Und auch unter Marketing-Aspekten ist die Nutzung des Gases im Verkehrssektor günstig: Die Fahrzeuge werden zu Werbeträgern. Stolz verweist Sommavilla auf den Shuttlebus der Hotelkette Hilton, die damit ihre Gäste am Zürcher Flughafen abholt – und dieses klimaneutral mit Kompogas-Antrieb tut. „Da schließt sich dann der Kreislauf“, sagt der Verkaufsleiter: „Wir verwerten die Grünabfälle des Hotels und liefern anschließend das Gas zurück.“ BERNWARD JANZING

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