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David gegen Goliath

Liechtenstein verklagt Deutschland in Den Haag – wegen tschechischer Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg

FREIBURG taz ■ Liechtenstein mit seinen rund 30.000 Einwohnern hat Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt. Das UN-Gericht soll feststellen, dass der Nachbar die Souveränität des Alpenstaats verletzt hat und dafür Schadensersatz zahlen muss.

Der Streit und seine Vorgeschichte sind hochkompliziert. Die liechtensteinische Fürstenfamilie besaß schon seit dem 30-jährigen Krieg große Ländereien in Böhmen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den tschechischen Kommunisten enteignet wurden. Das Eigentum des Vaduzer Fürsten wie anderer liechtensteinischer Bürger wurde einfach als „deutsches“ Eigentum angesehen, obwohl Liechtenstein seit 1806 ein souveräner Staat ist und die Neutralität auch im Zweiten Weltkrieg wahrte.

Damit hatte sich das Fürstentum abgefunden. Bis vor rund zehn Jahren ein Bild im Wert von 500.000 Mark, das einst der Fürstenfamilie gehörte, in Köln ausgestellt wurde. Es war als tschechische Leihgabe an den Rhein gekommen, wo es Hans Adam von Liechtenstein sofort beschlagnahmen lassen wollte. Allerdings hatte er bei deutschen Gerichten keinen Erfolg. Diese beriefen sich auf ein Abkommen, das Deutschland 1955 mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs geschlossen hat. Danach sind Prozesse vor deutschen Gerichten wegen der nach dem Krieg stattgefundenen Enteignungen ausgeschlossen. Die Verfassungsrichter bestätigten 1998, dass deutsche Richter nicht prüfen können, ob Tschechien Liechtensteiner Eigentum wieder herausgeben muss.

Liechtenstein interpretiert den Karlsruher Beschluss allerdings viel weitgehender: Deutschland behandle nun die enteigneten liechtensteinische Güter als „deutsches Auslandsvermögen, das zur Begleichung deutscher Kriegsschulden herangezogen werden kann“. Damit aber werde die liechtensteinische Souveränität verletzt, so die gestern eingereichte Klageschrift. Der Kleinstaat will „Schadensersatz“ von Deutschland in nicht näher bezifferter Höhe.

Die Bundesregierung, die bereits Ende der 90er-Jahre ergebnislos mit Liechtenstein verhandelte, will die Klage prüfen und in einigen Monaten ihre Stellungnahme in Den Haag einreichen. Vorher wird sich noch ein anderes Gericht mit dem Streit befassen: Im Juli will der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg über eine Klage von Fürst Hans-Adam entscheiden, die dieser „als Privatmann“ gegen Deutschland angestrengt hat. CHRISTIAN RATH

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