Kommentar: Fossiles Denken
■ Warum die HEW noch vor dem Ausstieg schon wieder vom Einstieg träumen
Gut, dass das mal gesagt wurde. Wer aussteigt, kann auch wieder einsteigen, meint HEW-Chef Manfred Timm. In die Atomenergie. Und schnörkellos, wie der Mann ist, spricht er jetzt offen aus, was er insgeheim schon lange gedacht haben wird.
Verträge und Gesetze lassen sich ändern, wenn es dafür politische und gesellschaftliche Mehrheiten gibt. Regierungen kommen, Regierungen gehen, Atomkraftwerke bleiben bestehen. Der nächste Woche zu besiegelnde Atomausstieg auf Konsensbasis, Timm sei Dank für diese Feststellung, ist entgegen rot-grüner Interpretationskünste keineswegs unumkehrbar.
Dass der HEW-Chef damit Atomkraft- und Castorgegnern Argumentationshilfe geben dürfte, wird ihn nicht scheren. Denn Timm spielt künftig bei den Großen mit, die Vision vom Konzern mit bundesweitem, ja mit kontinentalem Gewicht nimmt Gestalt an. Und im Gefühl neuer eigener Stärke lässt es sich leicht am Wort vergreifen.
Timms Parole vom ökologischen Atomstaat, von umweltfreundlicher Energieproduktion in AKWs, die Klima und fossile Ressourcen schone, ist bezeichnend für diesen nicht spaltbaren Atomkopf. Dass jemand, der am Strom verdienen will, nicht zuerst ans Energiesparen denkt, mag noch nachvollziehbar sein.
Aber kein Wort zu verschwenden über die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, ob Sonne, Wind oder Wasser, kein Wort zu verlieren über eine sichere Endlagerung des jetzt schon produzierten Atommülls: Das als rückwärtsgewandt zu bezeichnen, wäre geschönt.
Das ist fossiles Denken.
Sven-Michael Veit
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