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Streit um das Feierabendmahl

Für Atheisten mag der Konflikt absurd erscheinen: Es ist eine Debatte um ein „Feierabendmahl“, geplant für kommenden Freitag während des Evangelischen Kirchentages in Frankfurt am Main. Dabei sollte evangelischen und katholischen Christen nicht nur – wie beim klassischen Abendmahl – Brot und Wein gereicht werden, sondern auch Obst, Käse und Saft.

Nach massiven Protesten aus beiden konfessionellen Lagern machte die (protestantische) Kirchentagsleitung einen Rückzieher: Das gemeinsame „Feierabendmahl“ wird es nicht geben. Worin lag das Problem?

Es ging eben um das zentrale Sakrament der Kirchen, das Abendmahl. Die Eucharistie erinnert an das Mahl von Jesus von Nazareth mit seinen Jüngern am Abend vor seinem Kreuzestod. Den Evangelien zufolge gab er den Auftrag, diese Feier in ihrer Gemeinschaft nach seinem Tod in Erinnerung an ihn stets zu wiederholen.

Nun war das letzte Abendmahl des Juden Jesus ein ganz traditionelles Mahl zum Passahfest, wie es noch heute jedes Jahr in jüdischen Familien so gefeiert wird. Obwohl die Feier zugleich rituellen Charakter hat, wird bei diesem Passahmahl auch richtig gegessen und getrunken. Noch die Urkirche, die ja zuerst nur eine Gemeinschaft christusgläubiger Juden war, feiert so das Abendmahl.

Die mystischen Worte Jesu bei seinem letzten Abendmahl aber („Das ist mein Leib“, – „Das ist mein Blut“) wurden mehr und mehr so interpretiert, als seien Brot und Wein lediglich als „geistliche Speise und geistlicher Trank“ zu verstehen. Im 13. Jahrhundert wurde diese Vorstellung zum Dogma erhoben.

Die protestantischen Kirchen verabschiedeten sich in der Reformation weit gehend von dieser Vorstellung. Sie betonen den Gemeinschaftscharakter des Abendmahls, die Katholiken seine Mystik. Ihnen ist die Teilnahme an einem evangelischen Abendmahl in der Regel nicht erlaubt.

In Vorwegnahme der Hoffnungen für den ersten ökumenischen Kirchentag in Berlin im Jahr 2003 lud die evangelische Kirchentagsleitung ausdrücklich alle Katholiken zum gemeinsamen „Feierabendmahl“ ein. Es wird auf evangelischen Kirchentagen seit 1979 gefeiert und gilt nicht nur als „Sättigungsmahl“, sondern auch als eine liturgische Handlung.

Traditionsbewusste Katholiken und Protestanten lehnten ab: Wegen theologischer Differenzen über den Charakter des Mahls sei die Zeit für diese Ökumene noch nicht reif. Als dann auch noch der Textentwurf bekannt wurde, erhöhte sich der Druck. So sollte es statt der traditionellen Worte „Das ist mein Leib/mein Blut“ nun etwa heißen „Mein Leben für Dich“.

Für eine Tischrede wurden die Sätze „Ich wünsche euch weiter einen guten Appetit. Wohl bekomm’s“ vorgeschlagen. Auch die Textidee „Wir lassen die Vorstellung, Fleisch zu essen und Blut zu trinken, endgültig hinter uns“ stieß vielen sauer auf.

Kurz vor dem Kirchentag gab deren Leitung schließlich ihren Kampf um das „Feierabendmahl“ auf. Einige der 120 Frankfurter Gemeinden haben jedoch angekündigt, es dennoch zu feiern – und zwar jetzt erst recht nach dem umstrittenen Textvorschlag.

PHILIPP GESSLER

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