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Popoputzen als Einstieg in den Erziehungsurlaub

Frankreichs Regierung spendiert zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub. Grüne begeistert: „Das sollten wir in Deutschland auch einführen“

BERLIN taz ■ „Danke, Jospin“, kommentierte der konservative Figaro, und es war gar nicht ironisch gemeint. Unverhofft hat der sozialistische Premier den Vätern Frankreichs zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub kredenzt. Im kommenden Jahr schon sollen Väter nach der Geburt eines Kindes nicht mehr nach ein, zwei Tagen Sonderurlaub wieder gen Betrieb verschwinden, sondern das Windeln gleich von der Pike auf studieren können.

Die Grünen in Deutschland wollen nachziehen: „Das sollten wir in Deutschland auch einführen. Dann können die Väter ihre Rolle schon direkt nach der Geburt erlernen“, sagt die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk. Um eine solche Reform zu bezahlen, kann sie sich sogar vorstellen, die Erhöhung des Erziehungsgeldes im Jahr 2003 zu verschieben.

Wie immer in Fragen Väterpolitik sind die skandinavischen Länder schon weit voraus: So nahm der finnische Ministerpräsident Paavo Lipponen schon 1998 sechs Tage Vaterschaftsurlaub, als seine Tochter geboren wurde. In Finnland haben Väter das Recht auf 18 Tage bezahlten Urlaub nach der Geburt eines Kindes. In Schweden gibt es sogar einen Monat Urlaub, in Dänemark zwei Wochen.

Aber auch in weniger vaterfreundlichen Ländern wird das Thema diskutiert. So forderte die werdende Mutter Cherie Booth im vorigen Jahr von ihrem Ehemann Tony Blair vehement mehrere Tage Kinderdienst ein, obwohl es in Großbritannien offiziell nur drei Tage Sonderurlaub gibt. Einer Debatte um einen gesetzlichen Vaterschaftsurlaub kam Blair aber zuvor: Er verwies auf seine flexiblen Arbeitszeiten und nahm keinen Sonderurlaub. Ähnlich wie in England können auch Väter in Deutschland, Spanien und Italien nur drei Tage lang pausenlos Popos pudern.

Jospin prescht nun vor – obwohl sein Finanzminister aufstöhnt: Etwa 210 Millionen Mark kostet die Reform pro Jahr. Trotzdem begrüßen 69 Prozent der Franzosen und 76 Prozent der Französinnen die Neuregelung. In Deutschland hofft der größte deutsche Väterverein „Väteraufbruch“, dass der Vaterschaftsurlaub auch den Erziehungsurlaub schmackhafter machen könnte: „Mutter und Kind bilden gerade am Anfang eine Symbiose. Da steht der Vater oft ein bisschen außen vor“, gibt Rüdiger Meyer-Spelbrink, Vorsitzender des Väteraufbruchs, zu bedenken. Der Vaterschaftsurlaub „würde den Vätern der Einstieg in den Erziehungsurlaub erleichtern“.

Erziehungsurlaub nehmen in Deutschland nur knapp zwei Prozent aller Berechtigten, obwohl Familienministerin Christine Bergmann (SPD) offensiv dafür wirbt. Mehr Anreize scheint sie aber nicht für nötig zu halten: „Wir gehen zurzeit einen anderen Weg“, heißt es zum Thema Vaterschaftsurlaub aus ihrem Ministerium.

HEIDE OESTREICH

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