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CHINA UND RUSSLAND SIND WEIT VON ECHTER ZUSAMMENARBEIT ENTFERNTAuf der Suche nach strategischen Partnern

Was für ein Kabinettstückchen der russischen Diplomatie! Noch im Mai war es Moskau nur mit Mühe gelungen, die US-Regierung zu einem vorgezogenen Treffen zwischen Präsident George W. Bush und seinem russischen Pendant Wladimir Putin an diesem Wochenende in Ljubljana zu bewegen – da stellt sich heraus, dass der Kremlchef mit den Chinesen im Gepäck zum Gipfel anreist. Directement vom Treffen der „Schanghaier Fünf“, einem russisch-asiatischen Bündnis mit politisch- militärischem Akzent. Neben Russland und China gehören dem Kreis Tadschikistan, Kasachstan und Kirgisien an. Und gestern ist noch Usbekistan dazugestoßen – eine ehemalige Sowjetrepublik, die Washington ursprünglich unter seine Fittiche genommen hatte. Mit mäßigem Erfolg, wie sich zeigt. Denn Moskau erobert in der Region Posten für Posten zurück. Das ist mehr als reine Symbolik.

Sollte Kremlchef Putin in Ljubljana den Amerikanern eine mit Peking abgestimmte Position zu ABM-Vertrag und NMD präsentieren, so brächte er Washington damit nicht nur in Verlegenheit. Es wäre auch im Interesse der an der kosmischen Rüstungsinitiative noch zweifelnden europäischen Verbündeten. Russland würde so auch die USA zurück auf den Boden holen und zwingen, über den Tellerrand zu schauen. Ein Punktsieg für den Kremlchef – wenn es denn gelingt.

Eine konzertierte Aktion mit China ist unterdessen kein Beweis für eine langfristige strategische Partnerschaft mit Peking – Moskaus sehnlichster Wunsch, um der US-Dominanz Paroli zu bieten. Seitdem Russland schwächelt, schwingt es sich zum Wortführer eines multipolaren internationalen Systems auf. Die Chinesen sehen das Verhältnis zum Nachbarn eher pragmatisch und unter taktischen Gesichtspunkten. Denn wirtschaftlich hat Moskau im Unterschied zum größten Handelspartner und Investor USA nicht viel zu bieten. Und auch die Russen misstrauen dem asiatischen Nachbarn: Sie fürchten, chinesische Horden würden eines Tages über die Große Mauer nach Sibirien drängen. Solchen Ängsten könnte eine strategische Partnerschaft zwar vorbeugen. Doch das ist nicht die Intention – weder auf der einen noch auf der anderen Seite. KLAUS-HELGE DONATH

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