: Bei Kamerun quaken Kröten
Wo früher das Vieh und auch Soldaten getrieben wurden, lassen sich heute Radler treiben. Der historisch rekonstruierte Ochsenweg – das ist Schleswig-Holstein auf die romantische Tour
von ALEXANDER MUSIK
Schattige Laubwälder, leuchtend gelbe Rapsfelder, einsame Moore, Siedlungen holländischer Torfkolonisten, blühendes Heideland nebst kleiner Tierschau mit Kuh, Pferd und Schaf. Schleswig-Holstein hat alles im Programm, und der Ochsenweg schafft die nötige Verbindung, um es zu entdecken.
Die Trasse wurde jahrhundertelang für den Viehtrieb aus dem hohen Norden an die Elbe genutzt. Heute schlängelt sich der Radwanderweg eigenwillig und anmutig durchs Land. Als Plattenweg, Sandweg am Feldrain, als Schotterpiste oder asphaltierter Radweg. Auf rund 500 Kilometern, durch Stadt und Land, von Wedel bei Hamburg bis hoch nach Flensburg, und wenn der Muskelkater mitspielt, weiter nach Dänemark. Dann wird der Ochsenweg zum „Hærvejen“, zum Heeresweg, denn über ihn wurden einst außer Ochsen auch Soldaten zur Schlachtbank geführt.
Ein gutes Dutzend Wissenschaftler – Archäologen, Biologen, Geografen, Historiker – begann 1996, die alte Wegführung der Ochsentrift zu rekonstruieren – eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Arbeitsamtes Rendsburg/Neumünster. Die ernüchternde Erkenntnis: Nur noch zehn Prozent des historischen Wegverlaufs sind erhalten. Entweder hatten landwirtschaftliche und industrielle Nutzung oder der Straßenbau die Spuren des alten Handelsweges getilgt.
Die Planer fanden eine alternative Route – und integrierten die Reste des historischen Ochsenweges. Kommen sie von Süden, gehen Radwanderer nun im alten Marktort Wedel (was „Furt“ bedeutet) an den Start. Seit 1483 hat die Stadt das Marktrecht, symbolisch bekräftigt durch den Wedeler Roland. Hier kamen die Tiere unter den Hammer. 1603 etwa wurden 13.000 Ochsen nach Wedel getrieben. Die Käufer päppelten die nach langem Marsch abgemagerten Tiere auf den fetten Marschwiesen wieder auf.
Nördlich von Wedel teilt sich der Weg. Ein Arm führt über Bad Bramstedt und Neumünster nordwärts, der andere weiter westlich über Elmshorn und Itzehoe. Beide sind – wie der ganze Ochsenweg – narrensicher beschildert, auf die dezenten grünen Wegweiser mit dem Logo kann man sich verlassen.
Vor landschaftlichen Besonderheiten haben die Routenplaner „Exkurse“ eingebaut. So ist zum Beispiel „Wildes Moor“ in der Nähe von Rendsburg einer der stimmungsvollsten Umwege auf der weithin reizvollen Strecke. Hinter Kuhweiden und Bauernhöfen taucht plötzlich Kamerun auf. Torfbauern haben sich hier einst angesiedelt, zur Zeit des deutschen Kolonialreichs. Nordwestlich von Kamerun: renaturierte Torfstichflächen. Glücklicherweise ist der Ochsenweg nicht der Donauradwanderweg: Selbst in der Saison ist es still genug, um die Frösche im Moor quaken zu hören.
Gegen Hunger, Durst und Ermüdungserscheinungen half zur Zeit der Ochsentrift – sie kam erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Eisenbahn zum Erliegen – die hohe Frequenz von Schenken am Wegrand, im Durchschnitt eine pro Meile. Das lohnt sich heute nicht mehr. Damit der – überwiegend flache – Weg nicht zur Ochsentour wird, ist es ratsam, Proviant und Flickzeug im Gepäck zu haben. Andernfalls gilt: Der Ochsenweg ist schön, auch wenn man bis zur nächsten Werkstatt schieben muss.
Die Radwanderkarte „Ochsenweg“ (Bielefelder Verlagsanstalt, ISBN 3-87073-238-5) ist spiralgebunden und enthält 17 miteinander verknüpfte Einzelkarten im Maßstab 1 : 75.000. Zudem: nützliche touristische Hinweise, etwa auf Unterkünfte. Preis: 19,80 DM
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