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Bulgarien setzt sich die Krone auf

Die neu gegründete „Nationale Bewegung“ des letzten bulgarischen Zaren gewinnt die Parlamentswahlen haushoch. „Wir werden den Weg der spirituellen Wiedergeburt einschlagen“, verspricht der Wahlsieger. Aber wohin führt der?

aus Sofia BARBARA OERTEL

Bulgarien bekommt seinen König zurück, wenn auch auf etwas ungewöhnlichem Weg. Bei den Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag erreichte die erst im April gegründete Nationale Bewegung Simeons II (NDS II) des ehemaligen und letzten Zaren Simeon vorläufigen Ergebnissen zufolge 43 Prozent.

Um 22.13 Uhr und damit über eine Stunde später als geplant zog der per Wählervotum frisch inthronisierte Monarch am Sonntagabend mit Hofstaat in den großen Saal des Sofioter Nationalen Kulturpalastes ein. Bis zuletzt war darüber gerätselt worden, ob sich Simeon, der im Wahlkampf die Hauptstadt weitestgehend gemieden hatte, höchstpersönlich die Ehre geben würde. Nach einer kurzen Verneigung vor dem Publikum platzierte er sich jetzt aber vor dem Mikrofon. „Nach unserem Sieg ist Bulgarien nicht mehr das gleiche Land wie vorher, wir werden den Weg der spirituellen Wiedergeburt einschlagen“, sagte er. „Wie sind bereit, die politische Verantwortung zu übernehmen. Der Weg wird schwierig werden, aber wir werden keinen Hindernissen ausweichen und versuchen, unsere programmatischen Ziele umzusetzen.“

Wer sich mehr inhaltliche Klarheit als im Wahlkampf erhofft hatte und wissen wollte, ob vielleicht Simoen selbst der neuen Regierung vorzustehen gedenke, wurde auch am Sonntagabend wieder im Regen stehen gelassen. Stattdessen referierte der König die bekannten Phrasen: stabiles Wirtschaftswachtum, schnelle EU-Mitgliedschaft, entschlossener Kampf gegen die Korruption, Bestrafung der politischen Sündenböcke inklusive.

Mit dieser Ankündigung durfte sich insbesondere der abgewählte Regierungschef Iwan Kostow angesprochen fühlen, dessen Partei ODS (Vereinigte Demokratische Kräfte) von 52 auf 18 Prozent abstürzte. Deutlich blasser als noch vor vier Jahren, sparte Kostow nicht mit Selbstkritik. „Wir haben mit unseren radikalen Wirtschaftsreformen sehr unpopuläre Maßnahmen ergreifen müssen und damit den Menschen mehr abverlangt, als sie ertragen konnten“, sagte er. Dennoch seien das positive Image Bulgariens in der Welt sowie die Annäherung an Nato und EU eindeutig seiner Regierung zu verdanken. Er hoffe, dass Bulgarien auf diesem Weg weitergehen werde.

Der Vorsitzende der Sozialisten, Georgi Parwanow, war zwar über die Wahlschlappe der Regierungspartei sichtlich befriedigt. Dennoch war er mit dem Abschneiden seiner Koalition, die noch hinter der ODS landete, nicht zufrieden. „Wir hatten das bessere Wahlprogramm und die bessere personelle Alternative, aber wir waren einer massiven Blockade durch die Medien ausgesetzt“, sagte Parwanow.

Elegant umschifften am Sonntagabend alle Politiker konkrete Aussagen zu einer Koalitionsregierung. Vertreter der Königsbewegung hielten an dem Modell einer großen Koalition fest; nur auf einen Partner wollten sie sich noch nicht festlegen. Auch die ODS kann sich eine Mitarbeit vorstellen – aber, wie Kostow klarstellte: „Nicht, wenn auch die Sozialisten beteiligt sind.“

Diese flirteten gestern ganz ungeniert mit Simeon und seinen Leuten. Immerhin hätten beide Parteien die gleichen Prioritäten, zum Beispiel beim Kampf gegen die Korruption. Allerdings gebe es, wie Parwanow wissen ließ, an Bulgarien als einer Republik nichts zu rütteln: Monarchie ausgeschlossen.

Wie bereits im scheidenden Parlament wird die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), die vor allem die türkische Minderheit vertritt, wieder in der neuen Volksversammlung vertreten sein. Sie kam auf 6,75 Prozent und nahm damit deutlich die Vier-Prozent-Hürde. Unklar war gestern noch, ob die Georgstag-Bewegung in das Parlament einziehen würde. Die liberale Bürgerbewegung, die seit 1996 existiert, trat zum ersten Mal an. Sie hatte im Wahlkampf landesweit Gehirne plakatiert, verbunden mit der Forderung, jene am Wahltag auch zu benutzen.

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