: Süddeutscher Schmusekurs
Die Debatte um Bordexemplare und Zensur bei der Lufthansa ist schon wieder zu Ende. Und die Fluglinie glaubt sich künftig vor „überzogenen Angriffen“ der „Süddeutschen Zeitung“ sicher
von RALF GEISSLER
Tausende Internetsurfer wollen heute die Seiten der Lufthansa blockieren. Damit protestieren sie gegen die Abschiebung von Flüchtlingen mit der Airline. Besonders erfreut ist die Fluglinie darüber nicht. Kleiner Trost: Einen anderen Quälgeist ist sie nach eigenen Angaben los: „Der Süddeutsche Verlag hat zugesagt, die überzogenen Angriffe gegen die Lufthansa wieder einzustellen“, sagt Unternehmenssprecherin Sandra Kraft.
Vor zwei Wochen erschien in der Süddeutschen eine Anzeige in eigener Sache: groß, farbig, unmissverständlich. Eine dicke Fliege saß da auf einer aufgeschlagenen Zeitung. Der Text: „Dieser Fliege geht es besser als vielen Passagieren der Lufthansa“. Denn auf die Süddeutsche müssen viele Fluggäste seit Ende März verzichten. Die Airline hatte die Zahl der Bordexemplare von 22.000 auf 12.000 reduziert. Und zwar ausgerechnet zum Zeitpunkt, als das Blatt kritisch über die Pilotenstreiks berichtete. Ob das ein Zufall sei, fragte die Süddeutsche damals ihre Leser, und forderte per Fliegen-Anzeige die Vielflieger zum Protestkauf am Kiosk auf.
Doch nun ist offenbar Schluss damit und der Süddeutsche Verlag auf Schmusekurs. Den gab es schon einmal: Denn mit der Berichterstattung über die Abbestellung von fast der halben Lufthansa-Auflage wartete die Zeitung, bis sie woanders stand. „Wir können Spekulationen, die Lufthansa bestraft kritische Berichterstattung mit einer Reduzierung der Bordexemplare, nicht bestätigen“, hieß es bei Anfragen – bis der britische Guardian über die Hintergründe schrieb. „Wir haben die Angelegenheit zunächst nicht an die große Glocke gehängt, weil man langjährigen Geschäftspartnern immer die Chance geben sollte, eine falsche Entscheidung zu korrigieren“, sagt Verlagssprecher Sebastian Lehmann.
Dazu kam es nicht. Und auch in den anderen deutschen Lufthansa-Bordblättern fand sich vor dem Guardian-Bericht nichts – obwohl nachweislich die meisten überregionalen Titel in Sachen Kranich vs. SZ recherchierten. Sie wollten es sich mit der Lufthansa offenbar auch nicht verscherzen.
Denn das Unternehmen verfügt mit den Bordexemplaren über ein enormes wirtschaftliches Druckmittel. Zwar zahlt die Airline den Verlagen teilweise nur zehn Prozent des Einzelverkaufspreises, dafür wird jedes Exemplar zur Auflage hinzugezählt. Und je höher diese ist, desto mehr Geld kann man für Anzeigen verlangen. Die Financial Times Deutschland setzt als Marktneuling mehr als 28 Prozent ihrer Auflage bei den Airlines ab. Bei der SZ machten die Bordexemplare bis März immerhin gut sieben Prozent der Gesamtauflage aus. Zwar kauft die Lufthansa diese Mengen nicht allein, doch sie gehört definitiv zu den besten Kunden unter den Luftlinien.
Nach dem Dammbruch dank Guardian war das Thema für genau drei Wochen in aller Munde, selbst Ex-Bild-Chef Peter Boenisch zeigte derLufthansa in der SZ einen Vogel. Jetzt herrscht wieder Ruhe: „Wir sind optimistisch, dass die Reduzierung der Bordauflage wieder zurückgenommen wird“, sagt Lehmann. Dass der Süddeutsche Verlag der Lufthansa dafür versprochen hat, weniger offensiv über den Fall zu berichten, dementiert er zumindest nicht.
Was also hat die Diskussion gebracht? Ein bisschen Ärger für die Lufthansa, viel Mitleid mit der Süddeutschen und Peter Boenisch die Kündigung – der Springer-Verlag nutzte seinen SZ-Beitrag als Vorwand, um den unliebsamen Senior rauszuschmeißen. Das ist leider alles.
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