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Die Schamfrist läuft ab

Weil sich die EU-Agrarminister nicht auf eine Verlängerung des Tiermehlverbots einigen, findet es womöglich zurück in die Nahrungskette

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Der EU-Agrarrat bringt keine qualifizierte Mehrheit zustande – weder für noch gegen die Verfütterung von Tiermehl. Erwartungsgemäß hakten die EU-Agrarminister diesen Tagesordnungspunkt gestern in Luxemburg ab. Auf längere Sicht könnte das umstrittene Futtermittel also wieder Eingang in den Nahrungskreislauf finden. Denn da außer Deutschland, Frankreich, Österreich und Spanien alle anderen Länder dafür stimmten, das Tiermehlverbot auslaufen zu lassen, kann die Kommission nun allein entscheiden.

Sie will das Fütterverbot nur verlängern, bis eine Verordnung in Kraft tritt, die alle Maßnahmen gegen BSE neu ordnen und zusammenfassen soll. Die EU-Länder werden danach in fünf Risikogruppen eingeteilt – abhängig davon, ob und wann BSE-Fälle aufgetreten sind und wie gut die Schlachthof-Kontrollen in dem Land funktionieren. Länder der Kategorien I bis III sollen tierische Abfälle,die unter Hochdruck auf 133 Grad erhitzt wurden, an Hühner und Schweine verfüttern dürfen. Das seit 1994 geltende Verbot, Tiermehl an Wiederkäuer zu füttern, bleibt weiter in Kraft.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner begrüßte im Grundsatz die Pläne der Kommission. Er betonte aber, dass ein lückenloses Kontrollsystem geschaffen werden müsse, bevor das derzeit geltende Verbot auslaufen könne. Der grüne Agrarexperte und EU-Abgeordnete Graefe zu Baringdorf hält den Vorschlag ebenfalls für vernünftig. Dänemark etwa habe sich immer an die EU-Bestimmungen gehalten und nie Tiermehl an Rinder verfüttert. Bis heute sei dort kein BSE-Fall aufgetreten, obwohl Tiermehl an Hühner und Schweine verfüttert wurde.

„Alles, was man unternehmen kann, um Infektionen auszuschließen, muss man tun. Aber zu sagen, die Rinderleber wandert in die Biogas-Anlage, weil kein Mensch sie essen will – das ist pervers“, sagte der grüne Abgeordnete. Wichtig sei die sachgerechte Drucksterilisation. In England sei daran gespart und das Futter nur auf 70 Grad erhitzt worden – „die hätten die Abfälle auch in die Sonne legen können.“

Ein entsprechend strenges Verfahren fordert Baringdorf auch für Speiseabfälle. Es sei besser, sie zentral zu sammeln und zu behandeln als – wie von Frankreich gewünscht – kein EU-einheitliches Verfahren festzulegen. Die Bundesregierung hält Speisereste für weniger problematisch als Tiermehl. Andere Mitgliedsstaaten haben aber große Vorbehalte gegen Speiseabfälle, da sie mit Maul- und Klauenseuche in Verbindung gebracht werden. Für den Ausbruch der Seuche in Großbritannien sollen gekochte Affenteile verantwortlich sein, die von einem Restaurantbesitzer aus Afrika eingeführt wurden. Wie sie ins Tierfutter gelangten, ist allerdings unklar.

Der eigentlich Leidtragende der verwirrenden EU-Debatte um sichere Lebensmittel ist ohnehin der spanische Schwarzkopfgeier. Die geplanten EU-Hygienevorschriften verbieten, dass Tierkadaver für ihn ausgelegt werden. Tierschützer fürchten nun, dass er sich an lebenden Weidetieren schadlos hält und so die Wut der Bauern auf sich zieht. Es ist eben eine komplizierte Sache, für gerechte und gleichzeitig sichere Verhältnissein der Nahrungskette zu sorgen.

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