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Was sich liebt, das killt sich

Sommer quer durch die Filmgeschichte: Das Metropolis zeigt in diesem Monat Amour fou  ■ Von Jakob Hesler

Der Sommer naht, und mit ihm sein Loch, schon sperrt es den Rachen auf und gähnt uns an ... aber nicht im Kino. Dort ist das Sommerloch eine schattige Oase. In ihr blüht ein beliebtes, ein buntes Gewächs: die Lieblingfilme. Im Metropolis fallen sie diesen Juli besonders schön aus und sehr gefährlich. Denn zum dankbaren Thema haben sie eine exquisite Krankheit: die Liebe – und zwar die bis zum Exzess, die gegen alle soziale Regeln. Obwohl mit dem Liebestod kaum jemand je persönlich Bekanntschaft gemacht hat, spukt er spätestens seit Tristan und Isolde in der Kultur herum und macht uns all die Lieben madig, in denen wir bis zum bittersüßen Ende nicht gehen wollen.

Oder bis zum radikalen Hass, wie Heathcliff, den Catherine Linton, geborene Earnshaw, so schmählich verraten wird. Ihr Vater hatte ihn als Waisenkind aufgenommen, wie Geschwister tollen sie durchs nordenglische Moor. Später küssen sie. Als sich die Besitzverhältnisse in Wuthering Heights ändern, bleibt er als Stallbursche, nur um Cathy nahe zu sein. Doch die Unstete heiratet den reichen Linton. Man kennt den düsteren Rest: Heathcliff flieht und kehrt reich zurück, widmet sein Leben fortan der Rache.

William Wylers '39er Brontä-Verfilmung macht bei Kapitel 17 ein Riesensprung. Egal, denn Laurence Oliviers Heathcliff ist im Guten und Bösen von klassischer Größe, und die wahnsinnige Vereinigung mit Cathys Geist im Schneesturm kann man sich anders als in Schwarzweiß gar nicht vorstellen.

Subtiler wurde Hollywood-Leidenschaft durch Technicolor nicht. Auch in King Vidors Duell in der Sonne (1946) geht es um eine Waise, auch sie wird sich rächen. Pearl wird von ihrem Ersatzvater als Halbblut diskriminiert, aber noch mehr durch die gnadenlose Überzeichnung ihrer indianischen Liebestollheit. Zur Wahl stehen der ewige Kinoverlierer Joseph Cotton als braver Sohn und sein Bruder: Gregory Peck mal als Fiesling, ein Ausbund an sadistischem Sexap-peal. Dass sie ihm nie widerstehen kann, macht die ersten zwei Stunden manchmal zäh, von Glaubwürdigkeit ganz zu schweigen, aber Ausharren lohnt sich. Denn der tödliche Liebes-Showdown lässt vergessen, was Kitsch ist. Dimitri Tomkin liefert dazu den schönsten musikalischen Wollust-Bombast seit Wagner. „Komm, Pearl. Kleine Wildkatze. Jetzt, ja.“ Gleißende Sonne, kreisende Geier.

Das Verdienst von Wenn der Postmann zweimal klingelt liegt anderswo. Wir sehen die amour fou, aber auch deren Kehrseite. Den lästigen Gatten um die Ecke bringen? Scheint in der irren Liebeslogik ganz naheliegend. Doch den luftleeren Raum der totalen Liebe, den gibt es gar nicht. Zwischen euphorischen Kinderplänen und sinnlosem Saufen legt Bob Rafelson in seinem Remake von 1980 die beiden Liebenden nie endgültig fest. Eine Tankstelle im Graubraun der mauen 40er und Jack Nicholson in seltener Einfalt – kein Meilenstein, aber solides Kino.

Belle de jour fällt aus dem Rahmen der Reihe. Von romantischer Liebe keine Spur. Catherine Deneuve edelprostituiert sich als junge Ehefrau eines netten Chirurgen, weil sie mit ihrer Sexualität nicht klarkommt. Signum des Bürgertums, surreale Träume, psychoanalytische Zaunpfähle – wir sind in den ruhigen Händen von Luis Buñuel. Deneuves Miene bleibt adäquat unbewegt bei alldem. Beinahe: als sie im Taxi erstmals von den Bordellen hört, öffnet sich ihr Mund unmerklich.

Betty Blue von Jean-Jacques Beineix dagegen – wenn das keine Liebe ist! Ein notorischer Lieblingsfilm, und keiner weiß warum. Jedenfalls völlig fou. Pasolinis Edipe Re wiederum ist eine bildgeile Spaghettitragödie mit plump aktueller Klammer. Neben Abgeschmacktem wie Roman Polanskis Bitter Moon dann zum sinnig perfiden Abschluss Im Reich der Sinne (1976) , Nagisa Oshimas Programmkinoporno mit dem krassen Ende. Danach hat man, zumal als Mann, vom losgelassenen Sexus erst mal genug. Wie singt Isolde: „Ertrinken – Versinken – unbewusst – höchste Lust.“ Bitte nur auf der Leinwand. 

Wuthering Heights: heute, 21.15 Uhr, morgen + 4.7., je 17 Uhr; Edipo Re: 4.7., 21.30 Uhr, 6. + 7.7., je 17 Uhr; Belle de jour: 10. + 12.7., je 21.15 Uhr, 11. + 13.7., je 17 Uhr; Betty Blue: 12.7., 17 Uhr, 13. + 14.7., je 19 Uhr, 15.7., 21.15 Uhr; Duell in der Sonne: 16. + 18.7., je 17 Uhr, 19.7., 19 Uhr; Wenn der Postmann zweimal klingelt: 16.7., 19.15 Uhr, 17.7., 21.15 Uhr + 20.7., 17 Uhr; Verhängnis: 23.7., 21.15, 24.7., 19 Uhr + 25.7., 17 Uhr; Bitter Moon: 26.7., 21.15 Uhr, 27.7., 17 Uhr + 31.7., 19 Uhr; Im Reich der Sinne: 27.7., 21.15 Uhr, 29.7., 19 Uhr, 30.7., 17 Uhr + 31.7., 21.30 Uhr, Metropolis

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