: Störfall soll Leukämie erklären
Radioaktive Substanzen aus Forschungszentrum sollen Grund für die gehäuften Leukämiefälle in der Elbmarsch sein. Bisher galt AKW Krümmel als Verursacher
HANNOVER taz ■ Nicht mehr das Atomkraftwerk Krümmel, sondern ein Unfall in einem benachbarten atomaren Forschungszentrum Geesthacht soll jetzt für die Häufung von Leukämie bei Kindern in der niedersächsischen Gemeinde Elbmarsch verantwortlich sein.
Der Umweltmediziner Dr. Hayo Dieckmann von der Bürgerinitiative (BI) gegen Leukämie in der Elbmarsch und der von der BI als Gutachter beauftragte Diplomingenieur Heinz-Werner Gabriel von der Arbeitsgemeinschaft Physikalische Analytik und Messtechnik (Arge PhAM) glauben zumindest genügend Indizien für einen solchen Unfall in der Forschungseinrichtung beibringen zu können.
Der Unfall soll sich bereits im September 1986 ereignet haben und die Ursache für die zwölf Fällen von Leukämie bei Kindern sein, denen nun zehn Jahren lang zwei Regierungskommissionen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein nachspüren. Während dieser Zeit hatten Wissenschaftler immer wieder Hinweise auf Radioaktivität nicht natürlichen Ursprungs gefunden, diese aber nie einem entsprechenden Ereignis im AKW Krümmel zuordnen können, dessen Stilllegung die BI stets forderte.
Die Arge PhAM glaubt nun in 15 von insgesamt 16 Bodenproben, die in der Umgebung des Forschungszentrums und des AKWs gezogen wurden, Spuren von angereichertem Uran nachgewiesen zu haben. Schon zuvor glaubte Heinz-Werner Gabriel in dem gleichen Gebiet Kügelchen von PAC-Kernbrennstoff festgestellt zu haben. Nach Ansicht von Gabriel gehen beide Befunde auf Experimente zurück, bei denen Thorium und Uran mit schnellen Neutronen bestrahlt wurden, und bei denen PAC-Teilchen entstehen, die Plutonium, Americium und Curium enthalten. Anhand von wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus den Achtzigerjahren kann Gabriel nachweisen, dass entsprechende Experimente in Geesthacht zumindest geplant wurden. In anderen Forschungszentren, wo seinerzeit tatsächlich mit PAC-Kernbrennstoff experimentiert wurde, habe es Unfälle gegeben.
In Geesthacht soll sich der Störfall am 12. September 1986 ereignet haben, weil an diesem Tag am und im benachbarten AKW Krümmel eine radioaktive Kontamination festgestellt wurde, die man anschließend recht unglaubwürdig mit Aufstau des in der Natur vorkommenden Gases Radon erklärte. Den Befunden von Gabriel haben allerdings die Landesregierungen in Kiel und Hannover bislang stets widersprochen. Sie führten gleich fünf Untersuchungen ins Feld, die keine Anzeichen einer „Verschmutzung mit Kernbrennstoffen im Umkreis der kerntechnischen Anlagen in der Elbmarsch“ sahen. Ergebnisse, die Umweltmediziner Dieckmann, Mitglied bei den Ärzten gegen den Atomkrieg, stark bezweifelt.
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