: Neuseeland rüstet ab, Australien auf
Aus den Krisenherden im südlichen Pazifik ziehen Wellington und Canberra gegenteilige Konsequenzen
SYDNEY taz ■ Neuseelands Kampfpiloten haben Ende Juni noch ihre letzten Bomben auf einem Manövergelände abwerfen dürfen. Jetzt soll die ohnehin überalterte Luftkampfflotte im Rahmen einer radikalen Umorientierung der Streitkräfte ganz abgeschafft werden. Denn künftig will sich Neuseeland nur noch für internationale Friedenseinsätze rüsten.
Dafür braucht das Land nach Ansicht seiner Mitte-links-Regierung keine teuren Kampfjets mehr, sondern nur Überwachungs- und Transportflugzeuge. Den von der konservativen Vorgängerregierung mit den USA vereinbarte Leasingvertrag für neue F-16-Kampfjets hatte die Regierung von Helen Clark bereits im vergangenen Jahr gekündigt.
Clark kündigte die militärische Konzentration auf zwei Armeebataillone mit flexibler Truppenstärke an. Dies erlaube einen effizienteren Einsatz in Friedensoperationen wie zurzeit in Osttimor. Nach den Plänen der Labor-Politikerin soll die Marine auf zwei Fregatten reduziert werden. Stattdessen sollen so genannte Mehrzweckschiffe für Sondereinsätze im Südpazifik angeschafft werden.
Mit der Reform reagiert Neuseeland auf die zahlreichen Krisenherde im Südpazifik, die von Fidschi, den Salomonen, Bougainville über Osttimor und Westpapua bis tief nach Indonesien hinein reichen. Neuseelands Nachbar Australien ist mit der gleichen Situation konfrontiert, zieht aber gegenteilige Konsequenzen. Australien rüstet massiv auf.
Das Land will sich vor allem militärisch vor dem bevölkerungsstarken und politisch instabilen Nachbarn Indonesien schützen. Australien wird zwar von ihm nicht militärisch bedroht, hat mit Indonesien aber im Gegensatz zu Neuseeland gemeinsame Seegrenzen.
Canberra legt den Schwerpunkt auf Luft- und Seeverteidigung. In ihrem neuen Haushalt hat die konservative australische Regierung erst kürzlich die höchsten Verteidigungsausgaben seit zwanzig Jahren angekündigt. Diese liegen derzeit bei etwa 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, verglichen mit nur 1,0 Prozent in Neuseeland. Und das enge Bündnis mit den USA, die in der australischen Wüste auch eine Militärbasis unterhalten, wurde einmal mehr mit der angekündigten Unterstützung Australiens für das umstrittene nationale Raketenabwehrsystem NMD bekräftigt.
Australiens Regierung lehnt Neuseelands strategischen Alleingang ab. Zwar akzeptiere man die interne Entscheidung eines souveränen Staates, hieß es offiziell. Aber Premier John Howard betonte unisono mit seinem Verteidigungsminister Peter Reith, dass Neuseeland mit den Konsequenzen leben müsse, wenn es seine Schlüsselverteidigung praktisch aufgäbe. Sie befürchten, Australien müsse Neuseeland im Notfall verteidigen und würde dadurch stärker finanziell belastet. Das könne die guten bilateralen Beziehungen verschlechtern.
Hinter den Kulissen versuchten auch die USA und Großbritannien vergeblich, die Regierung in Wellington von ihrer Streitkräftereform abzubringen. Für Neuseelands konservativen Oppositionssprecher für Verteidigungspolitik, Max Bradford, wird das Land mit dieser Reform nicht wie beabsichtigt in regionalen Sicherheitsfragen unabhängiger, sondern im Gegenteil von seinen Verteidigungspartnern abhängig. Für die USA, Großbritannien und Singapur sei es schwer verständlich, so Bradford, dass Neuseeland ausgerechnet Bodentruppen zur Priorität erkläre, „wenn das Land von Tausenden Kilometern blauen Wassers umgeben ist und seine Grenzen faktisch nicht bedroht sind“.
Das kleine Neuseeland ist verteidigungspolitische Alleingänge gewohnt. Bereits 1984 zog sich das Land aufgrund seiner Anti-Atomwaffen-Politik teilweise aus dem Anzus-Verteidigungspakt mit den USA und Australien zurück. Das führte dazu, dass Neuseeland auf Druck der USA 1986 ausgeschlossen wurde. Das hinderte die Regierung in Wellington nicht, Neuseeland darauf zur atomwaffenfreien Zone zu erklären. CORINA JÜRGENSEN
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