: Mystische Mönche
Die Schüler des Shaolin können nicht fliegen, aber mit Nadeln durch Fenster werfen ■ Von Philipp Sidhu
In den goldenen Zeiten des Kung-Fu-Kinos, als Bruce Lee der Held und Chuck Norris noch nicht stumpfer Texasranger, sondern stets der Schurke war, da tauchte das Kloster der Shaolin fast ausschließlich in den fetzigen Titeln der Hongkong-Produktionen auf. Damals waren Körper und Geist des bekennenden Eastern-Fans im Gleichgewicht: Kein Film, der nicht mit dem finalen Handkantenschlag in den Nacken des Bösewichtes endete. „Grooy!“, dachte man, hängte das Poster mit den tödlichen Körperpunkten übers Bett und schwor bei seinen Ahnen, den Schultyrann mittels präzise geführter Esstäbchen zu erledigen.
Aus dem nie zur Rechenschaft gezogenen Schultyrann wurde im Laufe der Zeit ein erfolgreicher Rechtsanwalt und der Hongkong- Film verschwand langsam aus den Kinos. Doch spätestens seit Ang Lees „Tiger and Dragon“ ist das Interesse an der chinesischen Kampfkunst wieder da.
Meister Shi De Wei (71) grinst bei der Erwähnung von Ang Lees Streifen: Die Mönche des Shaolin Klosters können nicht fliegen. Trotzdem gilt das im Shaolin Klos-ter gelehrte Kung-Fu als das ältes-te und ursprünglichste. Anlässlich des 1500-jährigen bestehen des Klosters demonstrieren die Schüler des Shaolin seit gestern bis zum 22. Juli im Deutschen Schauspielhaus ihre Künste.
Die Aufwärmübungen hinter der Bühne erinnern an bewaffnetes Bodenturnen, doch die Aufführung selbst ist eine wilde Mischung aus Zirkus, Theater und Kampfkunst. Zwei Stunden lang stellen die Mönche Szenen aus der langen und wechselvollen Geschichte des Klos-ters nach. Die Klassiker asiatischer Kampfkunst, wie das zerschlagen eines Stücks Gusseisen auf der Stirn, oder der Wurf einer Stecknadel durch eine Fensterscheibe gehören zu den Höhepunkten der Vorstellung. Artistisches, bei dem die Zuschauer unwillkürlich schmerzhaft zusammenzucken. Aus einer Flugrückwärtsrolle in den Lotussitz zu springen, oder mit einem Bein am Ohr in den Spagat zu fallen, das sind Dinge, die von den Shaolin nebenbei erledigt werden.
Wer „groovy“ Handkantenschläge sehen möchte, sollte sich aus der Videothek „Die sieben Pforten der Shaolin“ in der Gold-Edition aus der Videothek holen. Alle anderen dürfen sich das Original nicht entgehen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen