: Virtuose der Improvisation
Konzert statt Antrittsvorlesung: Der Jazzmusiker Bobby McFerrin wird morgen in Berlin zum Honorarprofessor ernannt
Bill Cosby entdeckte ihn vor zwanzig Jahren und verhalf ihm zu einem Plattenvertrag. Der Titelsong der Bill-Cosby-Show machte den Gesangsakrobaten Bobby McFerrin später dann auch einem großem Publikum bekannt. Durch „Don’t Worry, Be Happy“ wurde McFerrin Ende der Achtziger sogar kurzfristig zum Popstar. Doch schnell und schließlich lähmte ihn der Zwang zum Anschlusshit.
Für den Vibrafonisten David Friedman, der den Jazzstudiengang an der Hochschule der Künste Berlin (HdK) leitet, ist McFerrin der „Inbegriff des improvisierenden Musikers“. Friedman erinnert eine Tournee mit McFerrin, die die beiden 1983 durch Israel führte, als ein Schlüsselerlebnis in Sachen spontaner Improvisation: „Wir hatten eine Woche lang geprobt, doch beim Konzert spielten wir dann ausschließlich neue Stücke.“
Zwei Jahre lang hat Friedman verhandelt, um McFerrin als Professor für die Hochschule der Künste Berlins zu gewinnen. Morgen wird im Rahmen eines Festakts und großen Konzerts zum zehnjährigen Bestehen des Jazzstudiengangs die Ernennungsurkunde an McFerrin überreicht. Er ist damit neben Brian Eno der zweite Honorarprofessor dieser Art an der HdK – mit dem Professorentitel wird er für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Im Gegenzug wird erwartet, dass der Künstler, allerdings ohne Honorar, einmal pro Jahr nach Berlin kommt, um einige Workshops und Konzerte zu geben. Ob das „ohne Honorar“ bei dem viel gefragten Amerikaner mit geschäftstüchtigem Management tatsächlich funktionieren wird, das kann auch Friedman nicht garantieren – bei Eno soll es bislang aber ganz gut geklappt haben.
Der einundfünfzigjährige McFerrin hat sich neben dem zehn Jahre älteren Al Jarreau als führender Jazzsänger seiner Generation behaupten können, in den Neunzigerjahren startete er – nicht zuletzt als Reaktion auf seine Erfahrungen im Popbusiness – auch eine Karriere im Classical-Crossover-Bereich.
Auf seiner CD „Paper Music“ interpretierte er Werke von Mozart, Bach und Tschaikowsky, und im Gegensatz zu dem erst kürzlich gelungenen Comeback Jarreaus im Smooth-Jazz- und Pop-Crossover-Segment gelang McFerrin, zeitweilig zumindest, der Eintritt in das nach wie vor als seriöser geltende Klassikgeschäft.
McFerrin wuchs in einem klassisch ausgebildeten und aktiven Sängerhaushalt auf – und verfügte damit schon von Anfang an über qualifizierte Erfahrungen in einem für afroamerikanische Künstler aufgrund des strukturstarken Rassismus im amerikanischen Klassikbusiness bis in jüngste Tage schwer begehbaren Terrain.
In Berlin wird McFerrin jedoch vor allem als Jazzimprovisator gefragt sein: Zu seinen Aufgaben gehören nicht nur Proben und Aufführungen mit fortgeschrittenen Studierenden, auch mit dem hauseigenen Jazzorchester wird er singen, und praktisch als Antrittsvorlesung und Initiationsritual zugleich wird er morgen noch einige Titel mit den anderen Jazzprofessoren und Dozenten spielen.
Spätestens dann schließt sich zumindest für David Friedman ein Kreis. Durch McFerrin kam er einst auf Umwegen nach Berlin und wurde gründender Professor für Jazz. Der Blick auf die für den Jazz existenzielle, nichtakademische Praxis blieb bei beiden wach. CHRISTIAN BROECKING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen