: Schock als Chance
Hans Jellouschek, 61, ist Paartherapeut, Heilpraktiker und Buchautor. Von ihm sind erschienen: „Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe“. Verlag Herder, Freiburg 2001, 158 Seiten, 22 Mark, und „Warum hast Du mir das angetan? Untreue als Chance“. Serie Piper, München 2000, 224 Seiten, 17,90 Mark
taz: Gehört zu den „Spielregeln der Liebe“ auch die Kontrolle, der Liebestest?
Hans Jellouschek: Liebe ist etwas Freiwilliges. Von daher widersprechen sich Kontrolle und Liebe. Eine gewisse Aufmerksamkeit für die Signale und Zeichen des anderen ist keine Kontrolle, das ist Sorgfalt.
Was halten Sie von einem Treuetest mit Lockvogel?
Überhaupt nichts. Das ist keine Liebe, die meine Autonomie und meine Persönlichkeit achtet. Wenn ich in der Rolle des Getesteten wäre und dahinter käme, ganz gleich, ob ich in die Falle gegangen wäre oder nicht, ich würde eine wahnsinnige Wut auf meinen Partner kriegen. Weil er mit dem Test massiv mein Vertrauen und meine Liebe verletzt hat. Die Tatsache, dass einer dem anderen eine Falle stellt, ist für mich ein Zeichen, dass da fundamental in der Beziehung etwas nicht mehr stimmt.
Sagt das Ergebnis etwas über das Treueverhalten des Partners aus?
Bei diesem Test wird die Untreue des Partners provoziert. Damit schafft man eine Situation, die man eigentlich vermeiden wollte. Denn keiner kann eine absolute Garantie dafür übernehmen, dass es nicht Situationen gibt, wo er schwach wird und die Treue bricht. Der Test sagt überhaupt nichts über die Beziehung aus, sondern ist zerstörerisch. Wenn ein Mensch so weit ist, dass er den Partner in eine solche Situation hineinlockt, zeigt das, dass da kein Vertrauen mehr ist. Das müsste in der Beziehung thematisiert werden. Es ist eine Illusion zu meinen, dass, wenn der Test bestanden wird, dies ein gutes Zeichen für die Beziehung wäre.
Was heißt Treue?
Treue und Untreue in der Paarbeziehung haben immer etwas mit Erotik zu tun. In der Regel wird es nicht als Treuebruch empfunden, wenn eine Frau mit ihrem Arbeitskollegen oder ein Mann mit seiner Mitarbeiterin ein gutes Verhältnis hat. Problematisch wird es, wenn Erotik eine Rolle zu spielen beginnt, bis hin zum sexuellen Akt. Das wird als Einbruch in die Treue erlebt. Meine Erfahrung ist, dass, wenn Liebe entsteht, auch das Bedürfnis nach Ausschließlichkeit da ist. Treue ist kein moralisches Gebot, sondern entspricht einem tiefen Bedürfnis aus dem Erleben von Innigkeit und Intimität. In einer länger dauernden Beziehung kann es vorkommen, dass Liebe erkaltet und ein Partner untreu wird. Der Schock, der dadurch häufig ausgelöst wird, kann dazu führen, dass sich das Paar damit auseinander setzt. Das kann eine Chance für die Beziehung sein.
INTERVIEW: MARIANNE MÖSLE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen