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Der Gang ins Fischmaul

■ Die Stadt der 100 Türme – ein Spaß nicht nur für Kinder: Bremer bauen riesiges Kunstwerk aus Lehm. Gestern wurde gefeiert, mit Drachen, Kids und Bratkartoffeln

Ein Drache als Wand? Das soll Architektur sein? Aber ja. Architektur, das halten viele für hochkompliziert und theoretisch, für die ausgeklügelte Berechnung von Palästen aus Stahl, Glas und Beton. Für Kinder ist das viel zu schwierig, zu abstrakt, und überhaupt können die das nicht – sollte man meinen.

Vom 7. bis 15. Juli entstand in den Wallanlagen der Beweis, dass Architektur auch ganz anders geht. Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene bauten unter dem Motto „Die Stadt der 100 Türme“ kleine Modelle aus Lehm. Die Ideen wurden zu einem riesigen Gesamtkunstwerk kombiniert. Ein Raum, von runden Säulen mit lebhaften Verzierungen umringt, befindet sich neben einem 2,50 Meter hohen, schuppenbesetzen Fisch-Turm mit klaffendem Maul, der sogar über eine kleine Treppe begehbar ist. Das Highlight bildet ein riesiger Drache mit einem langen Zackenschwanz.

Jeder Teilnehmer hat im Rahmen seiner Fähigkeiten einen Teil zu dem Kunstwerk beigetragen: „Ich habe ein Gesicht, einen Drachen und ein Schwert an die Wände gemacht“, erzählt der elfjährige Roland. Tina Schlör ist 37 und hat Architektur studiert. Von ihr stammt die Idee zu dem Drachen, an dem sie auch mitgebaut hat.

Obwohl der Andrang groß war – morgens waren etwa 15, Nachmittags bis zu 30 Teilnehmer da, am Wochenende sogar noch mehr – hatte Betreuer Karl Rupprecht zwischendurch Angst „ob die Zeit überhaupt reicht, um das Bauwerk fertigzustellen.“ Am Ende hat es doch noch geklappt, und das wurde ges-tern mit Musik und – in Lehmhülle – gebackenen Kartoffeln gefeiert.

„Wir wollen zeigen, was alles in der Architektur möglich ist“, erklärt Projektleiter Nepomuk Derksen die Idee des Projekts, das nun zum zweiten Mal in den Bremer Wallanlagen stattfand. Mit seinem Team vom Verein „Bunte Kuh e.V.“ hat er schon viele solcher Aktionen in Hamburg, Berlin und Bremen, aber auch in München und Paris gestartet. Das Ganze soll nicht nur Spaß machen, es hat auch pädagogische Ziele: „Kreativität provozieren und zeigen, dass Architektur auch eine Heimat für die Seele bieten kann“, so Derksen über den Sinn der Sache. Außerdem sei das gemeinsame Gestalten ein kommunikativer Prozess, der zur Verständigung untereinander beitrage. Auch die Sinne würden geschult.

Das Konzept, das sich seit 15 Jahren immer weiter entwickelt, sei auch speziell für Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten und für Behinderte gedacht, so Derksen. Gleichzeitig versuche die „Bunte Kuh“, ein Netzwerk von Standorten aufzubauen, an denen regelmäßig solche Veranstaltungen stattfinden könnten. Für den Standort in den Wallanlagen werden noch langfristige Partner gesucht, damit Bremer Kids auch in Zukunft ihre Kreativität beim Lehmbauen ausleben können.

viv

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