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Zurück in die Zukunft

Mit dem dtv-Taschenbuch feiert eine Ikone der Bundesrepublik Geburtstag. Der Einheitslook der Reihe ist inzwischen passé. Heute sind die Bücher kaum noch von anderen Verlagen zu unterscheiden

von DANIEL FERSCH

Die Bundesrepublik hat in den vierzig Jahren ihres Bestehens einige unverwechselbare Markenzeichen hervorgebracht. Dinge, an die sich alle Kinder dieses merkwürdigen Landes erinnern können: Perry-Rhodan-Hefte, Trainingsanzüge, das Kicker-Magazin oder Helmut und Hannelore Kohl. So prägend waren diese Ikonen des Alltags, dass viele von ihnen noch heute in den Feuilletons der großen Zeitungen zum Gegenstand wehmütiger Betrachtungen werden. Manche schaffen auch durch tragische Ereignisse, wie bei Hannelore Kohl, immer wieder den Sprung in die Tagesaktualität. Eine dieser Marken des alten Westdeutschland feiert in diesen Tagen ihren vierzigsten Geburtstag: Das dtv-Taschenbuch.

Ein dtv-Buch war im Buchladen schon von weitem zu erkennen. Glänzend weiß, mit einer schnörkellosen schwarzen Umschlagschrift namens „Akzidenz-Grotesk“ versehen, stach es aus den anderen Büchern hervor. Kein anderes Verlagshaus hatte sich vorher getraut so sehr auf einen einheitlichen Look zu setzen wie der dtv. Nicht die Autoren wie Heinrich Böll, Siegfried Lenz oder auch Charles Bukowski und J.R.R. Tolkien formten das Image des Verlages, sondern der puristische Look der Bücher. Kein Wunder, dass Celestino Piatti, der Schweizer Grafiker, dessen Zeichnungen und Aquarelle dreißig Jahre lang beinahe jeden dtv-Titel zierten, zum heimliche Star des Verlages avancierte.

Umso erstaunlicher ist jedoch, dass mit dtv ein langweiliger Zweckverband die Vorzüge einer „Corporate Identity“ entdeckte und zum Vorbild für andere Reihen wie die „edition suhrkamp“ (1963 von Willi Fleckhaus gestaltet) wurde. Denn entstanden ist der Verlag, der sich etwas hochtrabend „Deutscher Taschenbuchverlag“ nennt, aus „der Verdrossenheit von Verlegern, die bisher die verschiedenen Taschenbuchreihen mit Lizenzen zu niedrigen Bedingungen versorgt hatten“, wie sich einmal Heinz Friedrich, der erste Verlagschef des Hauses erinnerte.

Elf Verlagshäuser, darunter so renommierte wie Kiepenheuer & Witsch wollten dies nicht mehr hinnehmen und hoben dtv als gemeinsame Taschenbuchedition aus der Taufe. Ein rein betriebswirtschaftlicher Vorgeng also, den Friedrich mit Leben füllen sollte. Was ihm, neben dem Gestaltungskonzept, auch durch großangelegte Werbekampagnen gelang. „Großanzeigen in überregionalen Zeitungen, Plakataktionen an den Litfaß-Säulen größerer Städte“, so Friedrich über den Start im Jahr 1961, „das war neu und überraschend.“

Nach dem Ende der Bundesrepublik war es jedoch auch bald vorbei mit ihrer Design-Ikone dtv-Buch. Heute kann man die Bücher des dtv optisch fast nicht mehr von denen anderer Verlage unterscheiden. Schuld daran hat Wolfgang Balk, der 1996 die Verlagsleitung übernahm. Balk, ein studierter Philosoph, der sich gerne in Denkerpose mit aufgestütztem Kinn fotografieren lässt, begründet diesen Schritt ganz prosaisch: „Auch Autos hatten in den Fünfziger und Sechziger Jahren eigene Gesichter, heute werden sie sich immer ähnlicher. Das ist der Lauf der Welt.“

Dieser Lauf der Welt beinhaltet auch, dass immer mehr Verlage von den großen Medienkonzernen geschluckt werden. dtv mit seiner seltsamen Gesellschafterstruktur blieb in diesem Übernahmepoker bislang außen vor. Mit Kiepenheuer & Witsch ist bisher nur ein einziger Partner aus dem Verbund ausgeschert und dem Branchenriesen Holtzbrinck einverleibt worden. Wolfgang Balk ist jedoch „zuversichtlich“, dass der Verlag auch weiter Bestand hat, denn seine Programmstruktur unterscheide sich sehr von der der Konzerne: „Da dreht sich doch alles nur um Bestseller, an diesem Wettbewerb haben wir gar nicht teil.“

Der Erfolg gibt dem Philosphen im Chefsessel bisher Recht. Im vergangenen Jahr wurde Balk zum „Verleger des Jahres“ gekrönt, während der Umsatz seines Unternehmens zu ersten Mal 100 Millionen Mark übertraf. Und mit Antje Ravic-Struvel, die gerade in Klagenfurt den Ernst-Willner-Preis erhalten hat, hat man eine viel versprechende junge Autorin in der Hinterhand: Ihr mit Spannung erwarteter Roman „Unter Schnee“ erscheint im November.

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