WALE RETTEN IST IN. KLIMASCHUTZ IST OUT. DAS MUSS SICH ÄNDERN: Umweltschutz ohne feuchte Augen
Eigentlich können die Wale uns schnurzegal sein. Wir essen sie nicht, sie halten keine Industrie am Leben. Alles, was sie haben, können wir besser und billiger künstlich herstellen. Warum also kümmert es uns, wenn die Wale aussterben und man sich nächste Woche voraussichtlich wieder nicht auf ein endgültiges Fangverbot einigen kann? Weil wir fühlen, dass es nicht richtig ist, eine andere hoch entwickelte Spezies ohne Not auszurotten.
Der Klimawandel hingegen löst bei uns keine Emotionen aus. Was nicht schlimm ist. Viel eher sollte unsere Vernunft alamiert sein: Denn selbst wenn wir die Treibhausgase sofort drastisch reduzierten, würde sich die durchschnittliche Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um einige Grad erhöhen. Aber trotz der Stürme, Überschwemmungen und voranschreitenden Wüsten reden wir vom Klimawechsel immer noch im Konjunktiv. Wir steigen weiter in den Ferienflieger, nehmen das Auto zum Einkaufen und freuen uns über niedrige Strompreise.
Wir regen uns über den Verlust von objektiv nutzlosen Tieren auf, während wir die akute Bedrohung von Leib, Leben und Eigentum von Millionen Artgenossen achselzuckend hinnehmen. Denn in der Klimadebatte haben sich die Maßstäbe von rational und emotional umgedreht. So kann US-Präsident George W. Bush erklären, Klimaschutz schade der Wirtschaft, ohne ausgelacht zu werden. Rational erscheint eine Politik, die nicht weiter blickt als die nächsten vier Jahre. Emotional und damit unqualifiziert erscheinen die Kritiker, die auf die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme dieses Kurses hinweisen.
Die moderne Umweltbewegung hat Anteil an diesem Dilemma. Als Gegenbewegung zur technisierten, rationalen Welt hat sie lange für „meinen Freund, den Baum“ mit Emotionen mehr erreicht als mit Fakten. Natürlich ist es richtig, den Gesang der Buckelwale auf Schallplatten zu pressen. Aber daneben muss die Vernunft sich durchsetzen, dass es unser ökonomisches Überlebensinteresse ist, wenn Land nicht überschwemmt und wenn Millionen von Menschen nicht Habe, Gesundheit und Heimat verlieren. Auch die US-Wirtschaft weiß, dass Katastrophen und Kriege nicht gut fürs Geschäft sind.
Wale schlachtet man nicht, denn man braucht sie irgendwie, fühlen die meisten Menschen. Das Klima ruiniert man nicht, denn sonst raubt man sich die Lebensgrundlage. Das haben noch nicht genug Menschen begriffen. BERNHARD PÖTTER
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