: Der lange, dornenreiche Weg zur Therapie
■ Arbeitskreis Paar- und Psychotherapie beklagt Mangel an Psychotherapeuten und Kassen-Kulanz
Durchschnittlich acht Jahre dauert es, bis Menschen die Hürden aus Scham, Unwissenheit und Angst überwinden und eine Psychotherapie beginnen. Doch auch dann erhalten die wenigsten die Therapie, die ihnen auch wirklich nützt, beklagt die Verbraucher-Zentrale Hamburg und warnt vor unkritischer Therapeutenwahl. Der Kurzratgeber „Psychotherapie“ klärt deshalb über Auswahlkriterien, Finanzierung und Schutz vor Miss-brauch auf. Wer eine Therapie beginnen will, muss zunächst Vertrauen zu einem qualifizierten Therapeuten fassen, der möglichst von der Krankenkasse finanziert wird – und der vor allem einen freien Therapieplatz hat.
Das aber ist alles andere als selbstverständlich. Der „Arbeitskreis Paar- und Psychotherapie“ beispielsweise sieht einen „gravierenden Mangel an Psychotherapeuten“. Einer Studie der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zufolge suchten bundesweit 480.000 Versicherte erfolglos eine Psychotherapie. Bei den insgesamt 15.000 Therapeuten bekämen nur knapp die Hälfte all– derer, die eine Therapie benötigten, auch einen Platz.
Die KV in Hamburg hält diese Zahlen für übertrieben. „Wir haben hier 689 niedergelassense Psychotherapeuten registriert“, sagt eine Mitarbeiterin. Sie halte die Versorgung für ausreichend, räumt aber ein, dass ein schneller Termin keine Selbstverständlichkeit sei: „Das ist nicht so einfach wie bei anderen Ärzten.“ Sie verweist auf die Suchmaschine im Internet sowie die Patientenberatung der KV. „Immerhin ist es heute einfacher als noch vor eineinhalb Jahren.“ Damals brachte ein neues Psychotherapeutengesetz Überblick über einen bis dahin unübersichtlichen Markt. Seitdem ist die Berufsbezeichnung geschützt, und es darf sie nur noch verwenden, wer eine staatliche Anerkennung, eine Approbation, hat.
Die können Ärzte mit neurologisch-psychiatrischer Facharztausbildung bekommen, Ärzte mit entsprechender Weiterbildung, Diplom-Psychologen mit einer Zusatzausbildung sowie manche Pädagogen, wenn sie sich zusätzlich qualifiziert haben.
Die Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten einer Therapie nur dann, wenn der Therapeut eine Kassenzulassung hat. Eine Praxis, die nach Ansicht des Arbeitskreises Paar- und Psychotherapie auch dazu beiträgt, dass die Wartezeit auf den Therapiebeginn im Bundesdurchschnitt bei einem dreiviertel Jahr liege. „Das ist für die betroffenen Patienten unzumutbar“, finden die Therapeuten und fordern, dass die Kassen auch der Erstattung von außervertraglichen Therapeuten zustimmen.
Denn den vielen unversorgten Patienten stünden viele qualifizierte Therapeuten gegenüber, deren Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen seien, die aber freie Kapazitäten hätten und deshalb auch kurzfristig Therapieplätze anbieten könnten.
Patienten sollten sich vom „mehr als harten Stil“ von Kassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Medizinischem Dienst nicht abschrecken lassen. Deren Hinweise, dass der Bedarf gedeckt sei, der Patient sich einen Therapeuten von der offiziellen Kassen-Behandlerliste suchen oder in die Klinik gehen solle, wenn er keine langen Wartezeiten aushalten könne, würden einem Widerspruch oft nicht standhalten. Der Arbeitskreis gibt dafür Argumentationshilfen und stellt Musterschreiben zur Verfügung. Sandra Wilsdorf
Der Arbeitskreis Paar- und Psychotherapie informiert im Internet unter www.psychotherapie-hotline.de oder telefonisch unter 040/55 69 39 00. Der Leitfaden der Verbraucher-Zentrale Hamburg ( www.vzhh.de ) ist für fünf Mark in der Kirchenallee 22, 20099 Hamburg, abzuholen oder für acht Mark zu bestellen. Und die Kassenärztliche Vereinigung informiert unter www.kvhh.de oder Tel.: 040/22 80 20.
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