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Gefangen im Glitzeranzug

Leider ohne Erdnussbutter: Ein Elvis-Konzertfilm von 1970 kommt wieder in die Kinos. Ein Wiedersehen mit dem King am Ende seiner Karriere, aber noch vor seiner Fressphase

Bei meiner letzten Interregio-Tour sah ich ihn im Zug plötzlich ganz nah vor mir: Elvis. Er ruhte auf dem kräftigen Oberarm meines Sitznachbarn. Ein Tattoo von Elvis und eine Tolle zu tragen ist wohl noch eine der harmloseren Ehrbekundungen für den einen und einzigen „King of Rock ’n’ Roll“. Es soll ja auch Leute geben, die – wie Elvis – täglich ein Sandwich mit Erdnussbutter und Speck verputzen und dazu „Love Me Tender“ hören, bis sie tot umfallen. Der King selbst fiel um im Jahr, als es in Deutschland für längere Zeit Herbst wurde: 1977.

Nun erst – warum, weiß der Henker, Informationen über den Film gibt’s leider nur sehr spärlich – kommt eine neue Edition bewegter und für einige sicher bewegender Bilder auf die Leinwand. Elvis, gefilmt bei Konzerten 1970. Interviews gibt's leider keine. „That’s the way it is“ ist ein lupenreiner Konzertmitschnitt. Bis auf ein paar Totalen auf Spielstätten, Schlangen von Fans und riesige Lettern mit dem Namen des Königs. Elvis hatte 1970 seine größte Zeit hinter sich. Seine erfolgreichste Ära waren die 50er und 60er. 1956 hatte der King erstmals fünf Nummer-eins-Singles in den Billboard 100. Viele seiner Hits, von „Heartbreak Hotel“ über „Blue Suede Shoes“ oder „Love Me Tender“, singt Elvis auch in diesem Film.

Es ist keine schlechte Gelegenheit, den Sänger zum Ende seines Schaffens noch vor der Debilitätsfressphase eingehender zu studieren. Wenn Elvis vielleicht nicht schizophren war, so hat er doch zu dieser Zeit eine gehörige Portion Selbstdistanz. Öfter wirkt er wie der Darsteller seiner selbst. Wenn er plötzlich herzhaft, aber doch künstlich lacht. Oder wenn er wie ein mittelalterlicher König durchs Volk schreitet, um die weibliche Hälfte davon einigermaßen ungestüm abzuknutschen – was zu einem Anschwellen des Kreischpegels führt. Insgesamt aber wirkt die ganz Veranstaltung jenseits von offenem Glitzeranzug und komischen Hüftschwüngen seltsam asexuell und geradezu spießig: Auftoupierte Bräute himmeln einen Typen an, der ganz und gar Kunstfigur ist. Echten Sex oder wirkliche Freunde dürfte Elvis wohl kaum gehabt haben.

„Caught in a trap. Can’t walk out.“ Aber die Sache mit den Sandwiches ist sympathisch.

ANDREAS BECKER

„Elvis – That’s the way it is“. Regie: Denis Sanders. Wiederaufführung, Special Edit. 2000

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