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restrauschenAlter Herren Spott

Schluss mit lustig

(19.15 Uhr, Deutschlandfunk)

Ein bisschen blickt der Schelm ja schon aus den Augen des Leipziger Tatort-Kommissars Ehrlicher alias Peter Sodann. Aber ein politischer Kabarettist? Da braucht man schon Fantasie, um sich Sodann als solchen vorstellen zu können – oder man muss heute Abend das Feature „Schluss mit lustig“ hören. Darin erzählen Cornelia Böhnstedt und Marcus Heumann die Geschichte vom „Rat der Spötter“, einer 1961 verbotenen Kabarettgruppe der Karl-Marx-Universität Leipzig.

Sodann war als Student Leiter der Spötter. Zunächst hätschelte die SED die Kabarettisten wegen ihrer obligatorischen Agitprop-Elemente und der eher verhaltenen Kritik an der DDR. Sie wurden mit Preisen und Westreisen geehrt. Doch nach dem Mauerbau landeten sechs Spötter in U-Haft der Stasi.

Im Feature spielen Sodann und sein Kollege Ernst Röhl Stücke aus dem damals als konterrevolutionär gescholtenen Programm „Wo der Hund begraben liegt“ nach. Die Sendung lebt von den kichernden alten Männern, die über ihre seichten Witze von einst lachen, und macht deutlich, wie humorlos die SED nach dem Mauerbau wurde. Der Abgrenzung nach außen folgte politischer Druck nach innen. Verboten war jede kritische Anspielung auf die Wirtschaftspolitik: „Was macht ihr denn da?“ „Wir reißen die Ziegelei ab.“ „Aber wir brauchen doch die Ziegel.“ „Ja eben. Deshalb reißen wir sie ja ab.“

Die Autoren lassen Sodann und Röhl viel Zeit zum Lachen und Sinnieren. Sodann liest die Vorwürfe gegen das Kabarett vor und resümiert: „Da gommd einem dor Gaffee hoch.“ Der SED-Chef Walter Ulbricht sprach ebenfalls sächsisch, wirkte aber nur unfreiwillig komisch. Nach dem Mauerbau sei „nichts stränger“, aber vieles „glarer“ geworden.

Tempo verleihen die Autoren ihrer Geschichte mit eingeblendeten Kampfliedern der SED, die nach dem Mauerbau komponieren ließ: „Klappe zu, Affe tot. Endlich lacht das Morgenrot.“ Dass sonst keiner mehr lachte, schien sie nicht zu stören. Dafür kann man heute Abend über ihre Borniertheit schmunzeln. Nach der Sendung mag man Peter Sodann als Tatort-Komissar Ehrlicher zurufen: „Im nächsten Krimi mehr Humor bitte!“

RALF GEISSLER

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