: Armes delta radio
Wie die Radiosender die Media Analyse ausnutzen, um für sich Werbung zu betreiben ■ Von Eberhard Spohd
Niemand spotte über die Media Analyse mit den Hörerzahlen der deutschen Radiosender. Schließlich dienen die Zahlen „Unternehmen und Werbeagenturen als Grundlage für die Einschaltung von Werbung im Radio“, wie der Radio Marketing Service trefflich zu erklären weiß. Einfacher gesagt: Je mehr Menschen ein Programm hören, desto teurer sind die Spots, die dort geschaltet werden, und desto größer ist der entsprechende Umsatz. Das ist wichtig in Hamburg, der Stadt mit den vielen Sendern, die alle ähnlich klingen.
Wie aber bekommt man Werbende dazu, ihre Reklame via Radio verbreiten zu lassen? Indem man für sich selbst die Werbetrommel rührt. Auch dazu taugt die Media Analyse. R.SH reagiert am schnells-ten: „R.SH ist und bleibt die Nummer 1“, lautet die Überschrift des schleswig-holsteinischen Privatsenders, und zwar „zum vierten Mal in Folge“. Doch schon grätscht der NDR dazwischen: „NDR hat die klare Spitzenposition im Norden“, titeln die Reporter von der Rothenbaumchaussee, und zwar „egal wie man rechnet“. Da wundert es nicht, dass Radio Hamburg sofort nachlegt: „Radio Hamburg mit Sensationsergebnis im neunten Jahr in Folge Marktführer“, und zwar „in Hamburg“.
Da wird einem einiges klarer. Die einen sind die Nummer eins im Landkreis Dithmarschen. Die anderen haben den höchsten Marktanteil unter den Unter-23-Jährigen in der Zeit von 23 Uhr bis fünf Uhr in der Früh. Die dritten rechnen mit der Absolutzahl von Hörern und teilen diese durch Anzahl von redaktionellen Mitarbeitern. Ein fundiertes Zahlenwerk wird in kleine Teile geteilt, damit jeder sein Spitzenpositiönchen halten kann.
Das aber ist doch nichts Neues, mag man einwenden. Und tatsächlich herrschte auf der gestrigen Morgenkonferenz der taz hamburg Konsens, als gemutmaßt wurde, dass „dann wohl die ganzen Dudelsender wieder sich selbst an die Nummer eins setzen mit ihren blöden Pressemitteilungen“. Wozu dann dieser Artikel? Um Mitleid zu spenden an delta radio. „In Hamburg vor N-Joy, Zielgruppe weiter verjüngt“, schreibt uns der Kieler Sender. Kein Superlativ, nichts. Das heißt: delta radio liegt nirgendwo vorne. Armes delta radio.
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