Filmstarts à la carte: Amüsante Reverenz
Alfred Hitchcock liebte landestypische Klischees mit hohem Wiedererkennungswert. Spielte die Geschichte beispielsweise in der Schweiz, so wurde sie mit Milchschokolade, den Alpen, Volkstänzen und Seen „gefüttert“, wie der Meister im Gespräch mit François Truffaut bekannte. Da verwundert es nicht, dass auch der Hitchcock-Verehrer und geniale Eklektiker Truffaut im Verlauf seiner Regie-Karriere eine Obsession für das gallische Symbol schlechthin entwickelte: den Eiffelturm. Klar, dass die auf Mördersuche befindliche französische Sekretärin Barbara Becker (Fanny Ardant) deshalb in „Auf Liebe und Tod“ zu einer massiven Nachbildung des Turmes greift, um sie einem höchst verdächtigen Subjekt über den Schädel zu schlagen. Während die kontrastreiche Schwarzweißfotografie und die Schauplätze (viele regennasse nächtliche Straßen) vor allem an den amerikanischen Film noir der 40er Jahre denken lässt, erweist das Drehbuch zu „Auf Liebe und Tod“ der britischen Phase des Idols Hitchcock seine Reverenz. Neben dem unvermeidlichen unschuldig Verfolgten (Jean-Louis Trintig-nant) und seiner vergnüglichen Katz-und-Maus-Beziehung zu Barbara gibt es witzige Dialoge, falsche Fährten, rasche Schauplatzwechsel - sowie Unmengen von absurden Zufällen, über die man nicht die Zeit bekommt nachzudenken. „Auf Liebe und Tod“ steht als unfreiwilliges Epitaph des viel zu früh verstorbenen Truffaut und fasst noch einmal vieles zusammen, was den Regisseur zeitlebens beschäftigte: der Film eines Mannes, der vor allem das Kino und die Frauen liebte.
„Auf Liebe und Tod“ 9.8., 11.-15.8., weitere Truffaut-Filme im August im Lichtblick-Kino
Bereits in den Tricksequenzen für die Kultserie „Monty Python‘s Flying Circus“ kam Terry Gilliam immer wieder auf das Thema zurück, das auch seine späteren filmischen Arbeiten dominieren sollte: die andauernde Auseinandersetzung zwischen Autorität und Kreativität. In Gilliams Filmen triumphieren Fantasie, Träume und Visionen über die Realitäten des Alltags, seine Helden sind Kinder, Träumer und Verrückte. Die schwarzhumorige Satire „Brazil“ (1984) stellt Gilliams schärfste Warnung vor einer Welt der Bürokraten dar: Ein kleiner Archivangestellter im Informationsministerium eines totalitären Staates, der sich stets vor der Verantwortung gedrückt hat, gerät durch einen dummen Zufall selbst in die Mühlen des inhumanen Systems. Nur in seinen Träumen ist er der strahlende Streiter für Wahrheit und Liebe - und verliert über dieser Diskrepanz letztlich den Verstand. Mit Weitwinkelobjektiven und Untersicht verzerrt Gilliam die Perspektiven dieser alptraumhaften Welt einer totalen Informationsgesellschaft, in der keine Inhalte mehr vermittelt werden.
„Brazil“ 9.8.-15.8. im Checkpoint und Eiszeit 1
Kaum weniger bizarr gestaltet sich Spike Jonzes exzentrische Komödie „Being John Malkovich“, die von einer seltsamen Reise durch das Bewusstsein des Schauspielers John Malkovich erzählt. Im siebeneinhalbten Stockwerk eines Bürogebäudes entdeckt der erfolglose Marionettenspieler Craig Schwartz (John Cusack) hinter einem Aktenschrank einen Zugang zum Kopf des Mimen - und verkauft schon bald Eintrittskarten an erlebnishungrige New Yorker. Doch auch für Schwartz, seine Gattin, eine Kollegin und den Arbeitgeber Dr. Lester hat der surreale Trip unabsehbare Folgen. Ganz zu schweigen vom eitlen Malkovich, der jedoch genügend Distanz zu sich selbst besitzt, um ein nicht immer schmeichelhaftes Bild seiner Person vorzuführen: Als auch er schließlich den Weg ins eigene Ich beschreitet, trifft er dort ausschließlich auf Malkovichs, deren einzige Äußerung lautet: „Malkovichmalkovichmalkovich ...“
„Being John Malkovich“ 9.8.-15.8. im Sputnik (Höfe am Südstern)
Lars Penning
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