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„Die bauen nicht so viel Mist wie wir“

Spaß und Diskussion: Jugendliche aus St. Petersburg und Hamburg  ■ Von Stefanie Hundsdorfer

„Was fällt Ihnen zu St. Petersburg ein?“ Das Touristen-Paar guckt verdutzt. Acht Jugendliche stehen vor ihnen auf der Landungsbrücke am Hafen und löchern sie über Russland. Nebenbei unterhalten sich die 14- bis 15-Jährigen auf Englisch. Drei von ihnen sind Hamburger, fünf kommen aus der Partnerstadt St. Petersburg. Sie sind Teilnehmer einer deutsch-russischen Begegnungsfreizeit des Jugenderholungswerks. Drei Tage Hamburg haben die insgesamt 42 Jugendlichen hinter sich, morgen geht es für drei Wochen in ein Ferienheim auf Sylt.

„Wir wollen nicht nur zusammen Ausflüge machen, sondern auch über die Unterschiede zwischen unseren Kulturen diskutieren“, sagt Margret Enodien, Leiterin der Begegnung. Seit 1993 veranstaltet das Jugenderholungswerk jährlich zwei deutsch-russische Freizeiten. Mitbestimmung durch die Jugendlichen gehört zum Konzept. „Wir nennen das ,Fifty-Fifty-Projekt'“, erklärt Enodien. Über die Hälfte des Programms entscheiden die Leiter, den Rest gestalten die Jugendlichen.

Dabei zeigten sich erste Unterschiede, erzählt die Leiterin. Zum Beispiel gestern, als über den Besuch des Museums für Hamburgische Geschichte entschieden wurde. Die russischen Jugendlichen waren begeistert. Für die Deutschen seien Museen ja nur ,Bäh'. „In Geschichte und Kultur sind die St. Petersburger viel gebildeter. Sie kennen die deutsche Literatur besser als wir.“ Ksenia aus Russland meint: „Wir haben dort auch viele Museen.“ Die besuchen sie oft nachmittags mit ihren Lehrern.

„What's the longest bridge in Hamburg?“ Das deutsch-russische Grüppchen hängt über dem Geländer der Landungsbrücke. Malaika, Hamburgerin, hat die Rolle der Fremdenführerin übernommen. Es ist ihre dritte deutsch-russische Freizeit. Vor allem auf die Diskussionsrunden freut sie sich. „Einige Sachen sind richtig interessant“, meint sie. Zum Beispiel das Schulsystem in Russland. Da gibt es noch richtig viel Disziplin und Respekt vor Lehrern. Ob sie sich das hier vorstellen kann? „Es ist schön, dass man hier freier ist, aber ein biss-chen von der russischen Ordnung wäre gut.“

Drei Wochen Verständigung auf Englisch – geht das? „Tiefere Gespräche sind am Anfang schwer“, meint Malaika. Irgendwann krame man dann aber sein Englisch raus, dann klappe das richtig gut. „Klar, die sind höflicher als wir, bauen nicht so viel Mist.“ Aber nach kurzer Zeit merke man immer, dass die genauso rumalbern. Von den vergangenen Freizeiten hat sie noch viele Brieffreunde.

Die diesjährige Förderung ist so mager, dass pro Nase für drei Wochen nur 25 Mark Ausflugsgeld da sind. Zudem fehlen auf Sylt Fahrräder. Wer Geld spenden oder ein Fahrrad auf Sylt verleihen möchte, der melde sich unter Tel.: 0178/798 82 17 oder spende auf das Konto: 13 32 40 04 39, Hamburger Sparkasse, Blz.: 20 05 05 50.

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