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die stimme der kritikBetr.: Angst vorm Einschlafen

Wehe, wenn Stoiber zärtlich wird

Zum Glück war es nur ein Albtraum. Schweißgebadet wachte ich vor ein paar Wochen auf und dachte, wie gibt’s denn so was, dass man so was träumt? Das darf doch nicht passieren. Jedenfalls nicht mir. Ich bin doch ein Stoiber-Gegner. Ich darf so was nicht einmal träumen. Das gehört verboten. Nur ganz fanatische Unterstützer von Doktor Edmund Stoiber können so was träumen. So was Furchtbares. Ich war im Bett mit Edi. Ich tat unsittliche Dinge. Und Edi war zärtlich zu mir. Noch Minuten nach dem Aufwachen spürte ich seine sanfte Hand auf meinem Kopf. Um Gottes willen, schrie ich und hatte nur eine Erklärung: Mein Wecker, der mich jeden Tag mit bayerischer Blasmusik weckt. Der musste weg. Sofort. Und ich wollte alles schnell vergessen.

Das ist mir auch gelungen – bis gestern. Denn da sah ich ihn wieder, den Edi, genau so wie damals, als ich von ihm träumte. „Ganz zärtlich“, „Arm in Arm“. Und mit diesem seligen Lächeln im Gesicht. Nur eines war anders: Denn mit wem er da „Arm in Arm über satte bayerische Wiesen“ wanderte, mit wem er da „ganz zärtlich“ vor einem romantischen Kamin auf einem plüschigem Sofa kuschelte, das war nicht ich, das war Karin, seine Frau. Und die schien sehr glücklich zu sein. „Mein Mann ist ein Geschenk Gottes“, flüsterte sie im Interview mit der Bunten.

Und ich vernahm Karins Botschaft wohl: Das ist mein Edi, den geb ich nicht mehr her. Nicht einmal im Traum denke ich daran, den Edi zu teilen – nicht mit Fürstin Gloria, die ihn so „sexy“ findet, nicht mit Verona Feldbusch, die sich der Edi „gern mal anschaut“. Und schon gar nicht mit einem Berliner Journalisten. Dem Edi geht es gut hier in Bayern, bei mir, und „ich wünsche mir, dass das so bleibt“.

Viele haben das so verstanden, dass die Karin nicht will, dass der Edi Kanzler wird und dass der Edi schon auf sie hören wird. Angela Merkels Freunde jubeln schon. Aber ich glaube, die Stoibers wollten nur alle verwirren: alle, die immer noch glauben, der Edi sei ein herzloser Machtmensch. Und alle, die immer so bös über ihn schreiben. Die sollen jetzt alle von ihm träumen. Und wer die Bunte genau gelesen hat, hat auch gemerkt, dass sich der Edi alle Türchen offen hält. Denn ganz am Schluss hat er da gesagt: „Ich sage ja auch nicht: Ich bin heterosexuell, und das ist auch gut so.“ Da kann die Karin noch so klammern, der Edi legt sich nicht fest. Und das macht mir ein bisschen Angst – vorm Einschlafen. LUKAS WALLRAFF

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