: Diplomaten in Kabul unerwünscht
Die afghanischen Taliban setzen westliche Botschaftsvertreter vor die Tür. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisation Shelter Now bleiben in Haft und müssen mit einem Gerichtsverfahren wegen christlicher Missionierung rechnen
DELHI taz ■ Die drei westlichen Diplomaten, die sich eine knappe Woche in der afghanischen Hauptstadt Kabul um die Freilassung der 24 Mitglieder einer internationalen Hilfsorganisation bemühten, sind gestern wieder nach Islamabad zurückgekehrt. Die Taliban weigerten sich, die Aufenthaltsbewilligung der Vertreter Deutschlands, der USA und Australiens zu verlängern. Sie begründeten dies mit ihrer Haltung, dass ein Besuch der acht ausländischen Mitabeiter von Shelter Now International (SNI) solange ausgeschlossen sei, wie ein Urteil gegen sie noch ausstehe. Das Argument, dass die afghanische Regierung damit das Recht auf konsularischen Schutz und damit internationale Pflichten verletze, verfing bei den „Koranschülern“ nicht.
Die Taliban werfen der Hilfsorganisation vor, in Afghanistan christliche Missionierungsarbeit geleistet zu haben. Die 24 Mitarbeiter von SNI, darunter vier Deutsche, wurden Anfang August verhaftet.
Das Verhalten der Taliban scheint zu zeigen, dass sie selber uneins darüber sind, wie sie vorgehen sollen. Aber es könnte auch Kalkül dahinter stecken. Auf der einen Seite bietet ihnen die Anklage gegen die Helfer einen guten Vorwand, um das feindlich gesinnte Ausland zu diskreditieren. Der Verdacht einer Missionstätigkeit ist nicht von der Hand zu weisen, und er wird von den Taliban-kontrollierten Medien dazu benutzt, um das Ansehen der Hilfswerke in der afghanischen Bevölkerung in Verruf zu bringen. Deren Arbeit ist eine ständige Kritik am Regime, das nicht fähig ist, das eigene Volk vor Hungersnot zu bewahren oder auch nur Aufgaben wie Wasser- und Gesundheitsversorgung wahrzunehmen. Diese Kritik wird zwar nicht laut geäußert, ist aber in der Bevölkerung weit verbreitet. Der Missionierungsvorwurf kommt daher gelegen, da die Hilfstätigkeit plötzlich nicht mehr so uneigennützig dasteht. Die Taliban bleiben auf die Hilfswerke angewiesen. Sie wissen aber aus Erfahrung, dass deren kompletter Abzug nicht wahrscheinlich ist, da sie sich der notleidenden Bevölkerung verpflichtet fühlen. Die Islamisten haben schon bisher alle Grundsätze verantwortlichen Handelns missachtet. Mit dem Weiterschüren der Krise um Shelter Now setzen sie ihren Poker fort, da dies ihre Position im Land stärkt, ohne das Risiko eines vollständigen Isolation wesentlich zu erhöhen. BERNARD IMHASLY
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