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Weltgeist aus der Digi-Dose

„Final Fantasy“ ist der erste Film mit ausschließlich computergenerierten, fotorealistischen Figuren. Er erzählt von der Apokalypse und dem Ende aller Zivilisation – doch eigentlich will er sagen, dass Klone eine dreidimensionale Zukunft haben. Vor allem, wenn sie weiß sind und amerikanisch sprechen

Größte Schwachstelle bleiben die etwas zu murmelhaft glänzenden Augen, die den Eindruck erwecken, alle Darsteller stammten aus derselben Familie halb erblindeter Pekinesen

von ULF ERDMANN ZIEGLER

Obwohl „Final Fantasy“ fraglos vom Ende handelt, stellt dieser Film dennoch einen Anfang dar, zumindest werbestrategisch. Es wird behauptet, hier seien zum ersten Mal die Schauspieler durch computergenerierte Figuren ersetzt worden. Das ist insofern richtig, als „Final Fantasy“ an die typischen stilistischen Finessen der Animation nicht anknüpft, also die Stilisierung von Frisurenstandards, Augen und Ruckzuckbewegungen ausspart. So weit muss man zugestehen, dass die Figuren und ihre Physiognomien in das dreidimensionale Trompe-l’Oeil einigermaßen eingepasst sind. „Fotorealistische Figuren“ nennen die Macher das Ziel ihrer komplizierten digitalen Montage.

Im Windschatten der großen ethischen Frage um den halb künstlichen Menschen wird schon seit einigen Jahren fotografisch geklont, was das Zeug nicht hält; die Iris auf Hochglanz gebracht, Ober- gegen Unterkörper verschraubt, politische Gegner im singulären Porträt zusammengepixelt, der Gegensatz der Geschlechter nivelliert, artifizielle Zwillinge geschaffen. Zur Hälfte lebt diese Kunst von der Lust an der Willkür, zur anderen Hälfte will sie davor warnen. Hollywood, mit seinem enormen Einfluss auf das Normative der Einbildungskraft, droht da schon etwas deutlicher mit der Abschaffung des Menschen, wobei selbstverständlich der Schauspieler als Repräsentant der Menschheit gilt.

So hat das japanisch-amerikanische Produktionsteam von „Final Fantasy“ eine Kriegsfabel zusammengestrickt, deren Armageddon nur (so ein Zufall!) das einzige Liebespaar des Films entkommt, sozusagen das humane Arche-Sample nach dem Ernstfall – ein penetranter Hinweis auf die angebliche Glaubwürdigkeit der computergeklonten Charaktere, gewissermaßen auf die dreidimensionale Zukunft erfundener Menschen.

Dass hier vom Ende der Zivilisation, vom Kern der Religion und vom Sinn der Forschung erzählt wird, hindert die Storyteller nicht daran, die Erde als ausschließlich von Amerikanern bevölkert darzustellen; nach dem üblichen Proporz von Weißen in den Haupt- und Schwarzen in den Nebenrollen. Hitlers Traum ist wahr geworden, New York zerstört. Andere Schauplätze sind die Atomtestwüsten des Westens und Houston, als letztes Refugium einer Weltregierung. Angreifer stellen sich als neonfarbige Röntgenamphibien dar, die Sterblichen ihren Astralleib entreißen, unbesiegbar wie Tim Burtons Marsmenschchen, halb Saurier, halb Lichtmembran. Das Ganze unterlegt mit allen Klischees von Musik und Sound, die dem Kriegs-Science-Fiction-Genre eigen sind, bei der Frankfurter Pressevorführung im Kino zu ohrenbetäubendem „surround“ aufgedreht („die Amerikaner wollen das so“).

Die Szenarien sind in bräunliches Halblicht getaucht, was den Gesichtern, die mit dem Wachsfigurenkabinett durchaus noch verbunden sind, im Prinzip gut tut. Unsere Heldin bekommt allerdings nach ihrer Erleuchtung plötzlich Sommersprossen, was die Frage aufwirft, warum man sich nicht generell um einen lebhafteren Teint bei allen Figuren bemüht hat. Sie befinden sich immer in Raumfahrtanzügen, nie ist mehr zu sehen als Kopf, Hals und Hände. Die Bewegungen und Volumen der Körper sind offensichtlich leichter zu choreoprogrammieren als die Mimik, von einer Aura mal ganz zu schweigen. Größte Schwachstelle bleiben die etwas zu murmelhaft glänzenden Augen, die den Eindruck erwecken, alle Darsteller stammten aus derselben Familie halb erblindeter Pekinesen.

Da keine Russen oder Sektierer zur Verfügung stehen, entbrennt der Kampf zwischen den Anhängern eines biologischen Letztschlags und dem wissenschaftlichen Personal, das in die „siebte“ und „achte“ Stufe der Materie vorzudringen versucht, in der sich dann die unheimlichen Feinde gewissermaßen als Essenz des Weltgeistes („Gaia!“) entpuppen, den man ohnehin nicht besiegen kann; man kann ihn nur schauen. Normalerweise natürlich nicht, aber in diesem Film ja, wie die überraschenden Farben (etwa vom Anbruch eines brillanten Wintertags) zum Ausdruck bringen sollen, mit denen das Überleben unserer Art – haha, ist ja nicht unsere Art! – sich abzeichnet.

Der Held ist in diesem Fall eine Heldin, die ungefähr so fleischlich wirkt, als hätte Alex Katz Cindy Shermans Versandhauspuppen zum Modell genommen. Die „schöne Aki Ross“ wird sie im Presseheft von Columbia TriStar genannt, „eine brillante Wissenschaftlerin und leidenschaftliche Ärztin – sensibel, intuitiv, wortgewandt“. Tatsächlich ist sie nicht mehr als die Nachahmung einer Filmschauspielerin der vierten oder fünften Liga und keineswegs der Versuch, Audrey Hepburn neu zu erfinden oder Jennifer Jason Leigh Konkurrenz zu machen.

Es ist schon interessant, dass dem Model-Klon dieser Endzeitstory die Rolle einer Esoterikerin zugewiesen wird (was weiblich ist, so die Logik, sei dann umso überzeugender auch menschlich). In den Manga-verwandten Filmen der Japaner ist die junge Frau nämlich das Abziehbild der unerschrockenen Kämpferin. Man kann förmlich zusehen, wie das amerikanisch-japanische Team in seinem Studio auf Hawaii die Story aus zwei ideologischen Hälften digi-montiert hat: die martialische Unerbittlichkeit der japanischen Fantasy-Produktion mit dem Einfühlungs- und Gewinnerkitsch des politisch korrekten amerikanischen Mainstreamkinos inklusive seines religiösen Untertons.

Also macht unsere Heldin, die übrigens einem weltweit erfolgreichen Videospiel entwachsen ist, auch als Liebhaberin keine überzeugende Figur. Man weiß gar nicht, welchen von beiden der (einmal) Küssenden man mehr bedauern soll, die allwissende bionic woman oder ihren etwas minderbemittelten Partner.

Die Industrie ist übrigens weit davon entfernt, kostenintensive Starbesetzungen vom Programm streichen zu können, denn die Stimmen des Films gehören etablierten Kinogrößen wie Donald Sutherland, Steve Buscemi und Ming-Na. Die Dialoge wurden als Hörspiel aufgenommen und die animierten Figuren dazusynchronisiert. Man hat ihnen also wörtlich Atem eingehaucht.

Das Problem sind aber nicht die Figuren als Gestalten, sondern als Charaktere. Deshalb ist es interessant, zu wissen, dass die Bewegungen von einem Mitglied des Filmteams, wie es heißt, gespielt, und in einer Punkt-Aufzeichnungstechnik im Sinne Mareys (Bewegungsfotografie im 19. Jahrhundert) festgehalten wurden. Aus den Datenprotokollen wurden dann die Bewegungen generiert. Da hat man die Quelle des Stereotyps: Für bewegende Charaktere braucht man die Bewegung eines speziellen Menschen und nicht eines körpertechnischen Mimen.

Das Gesicht der Heldin Aki „wurde zunächst von einem Künstler dreidimensional geformt“ und dann als Drahtgittermaske ins Animationsgeschehen eingespeist oder, wie das Reklameheft sagt, „gerendert“. Und das „Kostüm wurde separat gerendert“. Angeblich haben die Techniker monatelang schneidern gelernt, „damit sie den Sitz und die Falten von Gewebe in Bewegung glaubwürdig rendern konnten“.

Sollte der Film zu nichts anderem führen als einer weiteren Vermischung der kommerziellen Sphären von Videospielen und Kino, bliebe uns immerhin der Fortschritt im Klonen einer neuen Sprache, die trotz des lackings von computern luckily zu neuen verbs geleadet hat. Gaia wird es uns danken.

„Final Fantasy – Die Mächte in Dir“. Regie: Hironobu Sakaguchi. Animationsregie: Andy Jones. Buch: Al Rainer. Musik: Elliot Goldenthal. USA 2000, 90 Min.

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