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Outlaw mit einem Diktatoren-Faible

Der frühere US-Justizminister und scharfe Kritiker Washingtons, Ramsey Clark, will Milošević in Den Haag verteidigen

Wie schafft es einer, vom Justizminister der Vereinigten Staaten zum international geächteten Outlaw zu werden? Ramsey Clark, 71, macht es vor. Unter Präsident Lyndon B. Johnson wurde der Texaner einst zum Attorney General berufen, zum Chefankläger und Justizminister in einem. Das ist zwar lange her und dauerte auch nur knapp zwei Jahre, von 1967 bis 1969, doch manch ein anderer hätte sich aus dieser Nummer im Oval Office eine weitere Karriere gebastelt: etwa als Rechtsberater bei einem weltweiten Multi oder einer internationalen Organisation. Henry Kissinger, Jimmy Carter, Madeleine Albright und viele mehr haben demonstriert, wie so etwas geht.

Nicht so jedoch Clark. Der Sohn eines texanischen Öl-Lobbyisten wollte von Geld und Ruhm nichts mehr wissen. Er entschied sich für den „aufrechten Gang“, wie er sagte, wurde Verteidiger von Wehrpflichtigen, die sich weigerten, als GIs in Vietnam zu töten und zu sterben. Ende der 60er- bis Mitte der 70er-Jahre avancierte Clark zur Lichtgestalt der US-Friedens- und Bürgerrechtsbewegung.

Doch mit deren Niedergang verlor sich der Rechtsexperte im Gestrüpp trotzkistischer Grüppchen und Sektierer. Seine neuen Freunde instrumentalisierten den alten Mann aufgrund seiner Herkunft und seines Namens als Zugpferd ihres „antiimperialistischen Kampfes“.

Erst mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation nach 1990 fand Clark wieder Anschluss bei einem breiteren Spektrum von Linken, die nun den Kampf gegen die Supermacht-Allüren der USA als einziger verbliebener Weltmacht auf ihre Fahnen schrieben. Zusammen mit anderen Juristen gründete er in New York das „International Action Center“ (IAC), eine Initiative, die nach eigener Definition weltweit verübte Kriegshandlungen und deren Folgen zu hinterfragen sucht (siehe deren Website: www.iacenter.org).

Seit dem Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 konzentrierte sich Clark vor allem auf das „völkerrechtswidrige Bombardement des westlichen Militärbündnisses auf Schulen, Industrieanlagen, Kirchen und Wohnhäuser“. Für den amerikanischen Outlaw steht fest: „Die serbische Nation war Opfer eines ausländischen Aggressors“ und der damalige Präsident Slobodan Milošević habe „richtig gehandelt“, als er das UNO-Tribunal in Den Haag als „rechtswidrige Institution“ bezeichnet habe, die er nicht anerkennen wolle. Auch für ihn, so Clark weiter, sei das Gericht „in Wahrheit nichts anderes als ein politisches Instrument vor allem der USA“. Es sei nur deshalb von Exaußenministerin Albright ins Leben gerufen worden, um Feinde der USA öffentlich anzuklagen und zu dämoniseren.

Um zu unterstreichen, wie ernst er es mit seiner Kritik meint, bot sich Clark kürzlich als Verteidiger für Milošević an. Zuerst lehnte der inhaftierte Diktator ab, nun scheint er aber doch dessen Beistand zu suchen. Zumindest protestierte Milošević Anfang der Woche beim Tribunal gegen den Beschluss, den unbequemen Amerikaner vorerst nicht in seiner Zelle vorsprechen zu lassen. Clark wollte daraufhin nach Belgrad reisen, um sich mit Milošević’ Ehefrau Mirjana Marković zu beraten, was die dortigen Behörden ebenfalls ablehnten. Seine Anwesenheit in Serbien sei unerwünscht, ließ man dem alten Mann ausrichten. Warum nur? KARL GERSUNY

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