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Ein taktischer Rückzug

Die USA nutzen den Streit über antiisraelische Beschlussvorlagen, um unangenehmen Themen auszuweichen

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Die USA und Israel haben am Montagabend erbost ihre Delegationen von der UNO-Konferenz gegen Rassismus in der südafrikanischen Stadt Durban zurückgezogen. Beide Staaten begründen ihren Rückzug mit „israelfeindlichen Passagen in dem Entwurf der Konferenz für die Abschlusserklärung“. Mit einer Ausnahme übernahmen sämtliche Nachrichtenagenturen diese Formulierung. Der Eindruck entstand, in Durban drohe die Annahme dieser „israelfeindlichen Passagen“.

Doch dies ist keineswegs der Fall. Die Rückzugsbegründung der USA und Israels und die darauf basierenden Meldungen sind zumindest grob irreführend. Denn eine offizielle Vorlage der Konferenz mit israelfeindlichen Passagen, die eine Chance auf Annahme hätte, existiert nicht und hat auch zu keinem Zeitpunkt seit der ersten Genfer Vorbereitungstagung für Durban im Mai 2000 vorgelegen.

Vorbereitung in Teheran

In Durban auf dem Tisch liegt eine Synopse der Textentwürfe, die zwischen Oktober 2000 und Januar diesen Jahres von vier regionalen Vorbereitungskonferenzen in Strassbourg (für Europa), Santiago de Chile (Nord- und Südamerika), Dakar (Afrika) und Teheran (Asien) verabschiedet wurde. Äußerungen zu Israel, Palästina und dem Nahostkonflikt finden sich ausschließlich in dem Textentwurf der Asien-Regionalkonferenz von Teheran Ende Januar dieses Jahres, an der die arabischen und islamischen Staaten teilnahmen. Israel und jüdische – wie auch China-kritische – Nichtregierungsorganisationen wurden von der iranischen Regierung mittels Visaverweigerung von dieser Regionalkonferenz fern gehalten.

Dass diese Visaverweigerung ein schwerer Verstoß gegen UNO-Bestimmungen war, wurde von der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, die als Generalsekretärin der Weltkonferenz fungiert und in Teheran teilgenommen hatte, seinerzeit auf Nachfragen der taz zunächst bestritten und erst nach Intervention der New Yorker UNO-Zentrale eingeräumt.

Robinsons Textsynopse diente als Verhandlungsgrundlage für die beiden letzten Genfer Vorbereitungstagungen für Durban im Mai/Juni beziehungsweise Juli/August, bei denen in einer Reihe von Punkten Konsens erzielt werden konnte. Auf diesen Vorbereitungskonferenzen wurde deutlich, dass die Israel-kritischen Textvorschläge der arabisch-islamischen Staatengruppe bei der großen Mehrheit der anderen Länder auf Ablehnung stieß und bei einer Abstimmung in Durban maximal von einem Drittel der Teilnehmerstaaten unterstützt werden würde. Niemand brachte Alternativvorschläge ein.

Die USA und die Europäische Union verweigerten jegliche inhaltliche Diskussion über die Vorschläge der arabisch-islamischen Staatengruppe mit dem grundsätzlichen Argument, eine Erwähnung Israels oder auch nur des Nahostkonfliktes im Abschlussdokument von Durban bedeute eine „unakzeptable Singularisierung“ Israels. Aber auch die lateinamerikanischen Staaten und viele schwarzafrikanische Länder lehnten zumindest die von der arabisch-islamischen Staatengruppe geforderte Verurteilung der Politik Israels gegenüber den Palästinensern als „Holocaust“ oder als eine „Form der Apartheid“ ab.

Zudem war den lateinamerikanischen und schwarzafrikanischen Staaten vor allem an der Beschäftigung mit dem Thema Kolonialismus und Sklaverei gelegen. Sie befürchteten, was inzwischen eingetreten ist: ein Streit über Israel werde die Beschäftigung mit dem Thema Kolonialismus und Sklaverei erschweren und den USA – denen dieses Thema unangenehm ist – einen Vorwand liefern zum Boykott der Durban-Konferenz oder zu einem vorzeitigen Ausstieg.

Gescheiterte Alternativen

Als die USA und Israel am Montagabend ihren Auszug aus der Konferenz verkündeten, lag auf dem Verhandlungstisch weiterhin nur der auf dem Teheraner Vorbereitungstreffen erarbeitete Textentwurf der arabisch-islamischen Staatengruppe. Ein Alternativvorschlag Norwegens war ebenso gescheitert wie zuvor ein Kompromissvorschlag von Robinson, in dem der Nahostkonflikt mit vagen und sehr ausgewogenen Formulierungen umschrieben wurde. In beiden Texten sahen die USA und die EU weiterhin eine „Singularisierung Israels“. Zugleich waren sie der arabisch-islamischen Staatengruppe nicht kritisch genug gegenüber Israel. Die USA und Israel hätten auch in Durban bleiben können im Vertrauen darauf, dass die Vorschläge der arabisch-islamischen Staatengruppe spätestens am Freitag mit mindestens einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt worden wären. Denn es ist völlig undenkbar, dass bei den inzwischen gestarteten gemeinsamen Bemühungen der EU und Südafrikas um einen völlig neuen Entwurf ein Ergebnis herauskommt, bei dem die USA und Israel mit ihrer Position in die Minderheit geraten und überstimmt worden wären.

Auch zur Frage, was im vorbereitenden Textentwurf der arabisch-islamischen Staatengruppe zum Thema „Zionismus“ steht, sind die Behauptungen und Meldungen weiterhin irreführend. Von einer platten Gleichsetzung „Zionismus gleich Rassismus“ war nie die Rede. Auch eine Wiederholung der Formulierung aus der 1991 aufgehobenen Resolution der UNO-Generalversammlung von 1975, wonach „Zionismus eine Form des Rassismus“ sei, wurde nie verlangt. Stattdessen heißt es in dem Textentwurf: „Die Konferenz soll ihre Besorgnis ausdrücken über einen Anstieg rassistischer Praktiken des Zionismus und des Antisemitismus.“

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