: „Machen. Und es laut sagen!“
■ Brigitta Nickelsen, Moderatorin bei „Buten un binnen“, über ihren Weg durch Männerdomänen
„Über Männerfußball durfte ich nie schreiben“, sagt Brigitta Nickelsen über die Anfänge ihrer Karriere beim Hamburger Abendblatt. Inzwischen ist die 36-Jährige Chefin vom Dienst und Moderatorin beim Regionalmagazin „Buten un binnen“. Ihr Werdegang nach der Zeitung in Hamburg: Volontariat beim NDR, Regionalfernsehen in Kiel, Radio Bremen – „Buten un binnen“ und mehr –, schließlich die Deutsche Welle in Berlin. Hier baut sie beim Auslandsfernsehen eine Sendung mit auf und moderiert sie. Als für Nickelsen dort die Entscheidung ansteht zwischen Unterforderung einerseits und einem großen Schritt nach oben andererseits, der auch den endgültigen Weggang aus Bremen bedeutet hätte, ist sie zurückgekehrt. Wir fragten sie nach einer weiblichen Sicht auf die Dinge.
taz: Gab es Momente, in denen Sie gemerkt haben, hier wird der Kollege bevorzugt, weil er ein Mann ist?
Brigitta Nickelsen: In meinem dritten Berufsjahr in Kiel begannen ein Kollege und ich, als Sprecher die Nachrichten vor der Kamera zu präsentieren. Wir beide waren beruflich auf der gleichen Stufe, auch typmäßig waren wir ähnlich. Als ich in der ersten Woche die Nachrichten präsentiert hatte – ganz sachlich, wie Nachrichten eben sein sollen –, kam als Feedback von der Redaktion: Mensch Mädchen, lächel' doch mal. Der Kollege nach mir war genauso ernst wie ich. Die Reaktion auf ihn: Super, seriös, so wollen wir Nachrichten präsentiert haben.
Zieht man dann die Konsequenzen?
Ich weiß im Nachhinein nicht, ob mein Weggang aus Kiel auch etwas damit zu tun hatte, dass ich eine junge Frau war. Meine Themen waren sehr schnell Kinder und Tiere. Aber sobald es auch an härtere, kritischere Geschichte ging, ist es mir ein paarmal passiert, dass ich Themen vorgeschlagen habe und jemand anders sie realisiert hat. Irgendwann war mir klar, dass ich in dieser Redaktion – auch, weil ich dort gelernt habe – in einer Schublade steckte.
Ist das dem männlichen Kollegen auch passiert?
Er ist schneller an die härteren Themen gekommen, war von Anfang an ehrgeiziger, zielstrebiger. Ich habe mich lange nicht darum gekümmert, eine Karriere auch in der Hierarchie zu machen.
Ist das typisch Frau?
Weiß ich nicht. Ich habe nach meiner Heirat weniger gearbeitet. Das Kind meines Mannes war damals fünf, ziemlich klein also. Mein Mann ist Sportjournalist, auch viel unterwegs, wir haben uns in der Familienarbeit abgewechselt. Ich war immer ausgefüllt und beschäftigt und hatte nie das Gefühl, mehr Karriere machen zu müssen. Erst mit den Berufsjahren und den Erfahrungen wächst dann auch der Wunsch, etwas Neues zu machen – man guckt: Was bleibt denn noch? Entweder wechselt man das Funkhaus oder sieht sich die Hierarchie an.
Was bedeutet Ihnen Macht?
Ich finde Macht überhaupt nicht negativ. Solange du sie nicht miss-brauchst. Mein Argument ist die Möglichkeit, gestalten zu können. Das finde ich toll. Wenn du die Themen ein bisschen steuern kannst und auch siehst, welchem Kollegen welches Thema liegt, oder mit jüngeren Kollegen einen Beitrag vorstrukturierst, und es kommt etwas Gutes dabei heraus – das ist doch wunderbar. Bei den Fortbildungen schule ich häufig ARD-KollegInnen. Wenn ich die abends in der Tagesschau sehe, bin ich stolz. Das finde ich inzwischen viel befriedigender als selbst zu moderieren.
Müssen Journalistinnen besser aussehen als Journalisten?
Wenn sie vor die Kamera wollen, ja. Das ist leider so. Die jungen Frauen heute haben Glück: Alle wollen Frauen. Da ist man erstmal ganz weit vorne. Wenn ich mir aber im deutschen Fernsehen Männer angucke – die Kollegen von „Buten un Binnen“ ausdrücklich ausgeschlossen! – dürfen einige vor die Kamera, die als Frau ohne Chance wären. Da ist das Medium ungerecht.
Die jungen Journalistinnen: Sind sie anders?
Ich glaube, sie sind noch ehrgeiziger, auch klarer darin, was sie wollen. In meinen Fortbildungen erlebe ich die Frauen oft als die Besseren. Die Führungsebenen sind zwar immer noch überwiegend männlich besetzt. Aber ich glaube, es ist inzwischen nur noch eine Frage der Zeit: Wenn die heutigen Chefs in Rente gehen, steht eine große Grupper wirklich guter Frauen bereit.
Alice Schwarzer kontra Verona Feldbusch – also vor allem ein Generationenkonflikt?
Verona Feldbusch ist clever. Ich habe sogar das Gerücht gehört, dass sie ihre Stimme schulen lässt, damit sie so piepsig klingt. Das wäre hochprofessionell. Da wüsste ich nichtmal, ob das so unemanzipiert ist. Sie weiß, wie sie sich verkaufen kann. Die jüngeren Frauen und auch die in meinem Alter profitieren von dem, was andere zuvor erkämpft haben.
Bedeutet Ihnen Feminismus etwas?
Erstmal überhaupt nicht. Als Berufsanfängerin hatte ich damit nichts am Hut. Inzwischen finde ich es ganz schön, mich ab und an mit Kolleginnen auszutauschen – das ist aber nicht wirklich feministisch. Wenn's zwischen mir als Chefin vom Dienst und einem Kollegen mal hakt, frage ich mich manchmal, ob das bei einem Chef auch so wäre. Aber inzwischen irritiert mich so etwas nicht mehr. Ich versuche solche Probleme möglichst weg von der Geschlechterschiene zu drücken, und es eher fachlich zu sehen.
Zu 88 Prozent wird in den deutschen Nachrichten über Männer berichtet – fällt Ihnen das auf?
Ehrlich gesagt, nein. Aber ich achte darauf, dass wir beispielsweise bei Straßenumfragen soviele Frauen wie Männer fragen. Wobei das gar nicht so leicht ist: Frauen weichen der Kamera aus, sie wollen nichts sagen. Frauen zieren sich viel häufiger, den Mund aufzumachen. Da reicht's auch der Reporterin irgendwann. Ansonsten spiegelt unsere Berichterstattung natürlich ein gesellschaftliches Bild wider: viele Männer in der Politik, viele Frauen im sozialen Bereich. Wenn wir statt eines Fachmannes eine Fachfrau suchen und auch eine finden, wollen die oft nicht in die Öffentlichkeit.
Was raten Sie jungen Journalistinnen?
Machen. Und es laut sagen. Das habe ich für mich herausgefunden: Du musst dich trauen zu sagen, was du willst. Männer sind schneller selbstbewusst und plustern sich schneller auf. Deshalb würde ich Frauen, die im Mediengeschäft gelegentlich mal an sich zweifeln, sagen: Guckt euch um, besser sind die Typen auch nicht – im Gegenteil.
Fragen: Susanne Gieffers
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