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Norwegens Staatspartei stürzt ab

Angesichts eines gut gefüllten Ölfonds und eines zunehmend defizitären Sozialsystems fallen die Sozialdemokraten bei den Parlamentswahlen auf ein historisches Tief. Rechtsradikale könnten jetzt erstmals in die Osloer Regierung einziehen

aus Oslo REINHARD WOLFF

Fast fünf Jahrzehnte lang war sie „die“ Staatspartei, Norwegens sozialdemokratische Arbeiterpartei. Doch bei den Parlamentswahlen am Montag kam mit 24,4 Prozent der tiefe Sturz. Dem bisherigen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg liefen die WählerInnen nach rechts – konservative Höyre plus 6,9 Prozent – und links – sozialistische Linke plus 6,4 Prozent – davon.

Ausgerechnet der Reichtum wurde den Sozialdemokraten zum Verhängnis. 522 Milliarden Kronen (130 Milliarden Mark) lagern in der Schatztruhe des Ölfonds, in dem die staatlichen Konzessionsabgaben aus der Ölförderung angesammelt werden. Ende des Jahres sollen es 630, 2002 850 Milliarden sein.

Das weckt Begehrlichkeiten, vor allem wenn es im Sozialsystem knirscht. Ihre Schlappe darf die sozialdemokratische Arbeiterpartei unter Jens Stoltenberg ihrer Unfähigkeit zuschreiben, die öffentliche Armut in Europas laut Statistiken reichstem Land zu erklären. Umgekehrt gewannen die Parteien der politischen Mitte, die konservative Partei und die rechtspopulistische Fortschrittspartei mit dem Rezept der offenen Hand: Es sei Zeit für einen tiefen Griff in diesen Fonds, der künftigen Generationen vorbehalten sein sollte. Eine Versicherung für die Zeit, wenn die Ölquellen versiegt sind.

Darüber, dieses Vermögen ausgerechnet in ausländischen Aktien anzulegen, wird seit Jahren diskutiert. Einig ist man sich aber in der Befürchtung, dass ein plötzlicher Ausgabeschub die sowieso schon über vier Prozent liegende Inflation anheizen könnte. Die Sozialdemokraten versuchten es deshalb auf einem lauwarmen Mittelweg: Man wolle nicht ans Eingemachte, könne aber vom Zuwachs einen Teil verbraten. Das Prinzip der „eisernen Reserve“ in Frage gestellt, wählten die NorwegerInnen die Parteien der weit offenen Geldbeutel. Oder die letzte konsequente „Wohlfahrtsstaatspartei“, die Linkssozialisten.

Gab es in Norwegen am Tage nach der Wahl keine Diskussion über den klaren Wahlverlierer, war die Suche nach Wahlsiegern schwieriger. Fünf Parteien blockieren sich mit Stimmenanteilen zwischen 12 und 24 Prozent und machen die Bildung einer Mehrheitsregierung äußerst schwierig. Rechnerisch könnten die Konservativen zusammen mit den Christdemokraten und den kleineren Mitteparteien eine Regierung bilden, wären dann aber auf die rechtsradikale Fortschrittspartei angewiesen. Die Konservativen scheinen damit keine Probleme zu haben. Aber die Christdemokraten hätten dabei deutliche Bauchschmerzen.

Eine mögliche Alternative wäre daher eine sozialdemokratisch geführte Minderheitsregierung, die sich auf Christdemokraten und Linkssozialisten stützen müsste. Kristin Halvorsen, Chefin der Linkssozialisten, erklärte sich dazu bereit. Den Joker für die Regierung scheint damit Expremier Kjell Magne Bondevik mit seiner Christlichen Volkspartei zu haben, die jeden zehnten Wähler verlor. Die stimmten ohnehin so lustlos wie nie in der Nachkriegszeit. Nur 74,3 Prozent gingen ins Wahllokal.

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