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Neue Kraft schon ausgepowert

Nach den geplatzten Fusionsgesprächen will der schwedische Energiekonzern Vattenfall nun den avisierten neuen Stromriesen ohne den Berliner Versorger Bewag aufbauen

BERLIN taz ■ Die jüngste Megafusion auf dem Strommarkt ist geplatzt, jetzt will Berlins regierender Bürgermeister vermitteln. Reichlich spät: „Nach der geplatzen Fusion überlegen wir jetzt, die Konzernzentrale nicht in Berlin, sondern in Hamburg anzusiedeln“, sagte Vattenfall-Sprecher Martin May gestern der taz. Endet der Denkprozeß zu Gunsten Hamburgs – wofür angesichts einer 25-prozentigen Beteiligung der Hansestadt an der Vattenfall-Tochter HEW spricht – gehen Berlin hunderte von Jobs und Steuermillionen verloren. Schlimmer jedoch ist: Ohne die Bewag wird die so genannte vierte Kraft auf dem deutschen Strommarkt nicht stark genug sein, um den drei anderen – Eon, RWE, EnBW – Paroli zu bieten.

Im April hatten sich die schwedische Vattenfall – sie hält die Mehrheit der Veag-, Laubag- und HEW-Anteile – und der US-Stromkonzern Mirant auf die Fusion zur vierten Kraft geeinigt. Mehr als 3,2 Millionen Stromkunden hätte der neue Konzern gehabt, der damit wirtschaftlich an die dritte Branchenstelle in der Bundesrepublik aufgerückt wäre. Doch dazu wäre das Okay des US-Konzern Mirant nötig gewesen, der an der Bewag mit 45 Prozent den selben Anteil wie Vattenfall hält. Ausschlaggebend für das Scheitern war ein Dissenz über die unternehmerische Führung des neuen Konzerns.

„Vattenfall erarbeitet jetzt ein tragfähiges Konzept ohne die Bewag“, erklärte May. Was schwer genug ist: Wegen der hohen Investitionskosten in ihre neuen Braunkohlekraftwerke könnten die Belastungen der Veag mittelfristig auf 7 Milliarden Mark anwachsen. Die Bewag dagegen erwirtschaftet kräftig Gewinn. Laut gestern veröffentlichter Bilanz beläuft sich der in diesem Geschäftsjahr auf 254 Millionen Mark. Nicht nur, dass der neue Konzern unmittelbarer Gebietskonkurrent zur Bewag wird, auch RWE rüstet in Ostdeutschland auf. Der Essener Konzern hatte am Mittwoch angekündigt, seine regionalen Stromversorger Envia (Chemnitz) und Meag (Halle) verschmelzen zu wollen, die 2 Millionen Kunden betreuen.

NICK REIMER

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