: Gut für das persönliche Engagement
Im österreichischen Sankt Johann tagten die Umweltorganisation der UN, die Welttourismus Organisation und NGOs über die Zukunft eines nachhaltigen Tourismus in den Alpen. Es ging um die erfolgreichsten Strategien zur Umsetzung des Ökotourismus
von CHRISTEL BURGHOFF
Die Chancen, die Unep-Beauftragter Oliver Hillel im Ökotourismus sieht, sind bemerkenswert: Ökotourismus fördere geschützte Gebiete, Ökotourismus sei eine Strategie, den Tourismus „sauberer“ zu machen, er nutze dem Wohlstand der Einheimischen, vor allem in ländlichen Räumen. Ökotourismus sei ein Instrument für Sustainable Development und vor allem ein Zukunftslabor. Und schon nach diesen Eingangsstatements zum internationalen Forum „Ökotourismus in Berggebieten“ ist klar, dass Oliver Hillel nur thematisiert, was die Welt bessern soll.
Unep, die Umweltorganisation der Vereinten Nationen, und die Welttourismusorganisation OMT/WTO haben zu einer ihrer Vorbereitungskonferenzen zum Internationalen Jahr des Ökotourismus aufgerufen. Und es geht konstruktiv zu. Kein problembeladenes Forum, das sich der schwierigen Verwirklichung eines „nachhaltigen Tourismus“ widmet, sondern ein Podium für „best practices“. Draußen auf den Bergen rund um St. Johann in Österreich liegt bereits der erste frische Schnee des Herbstes – drinnen im Kongresszentrum wird verhandelt, wie diese Gaben der Natur „nachhaltig“ zu vermarkten sind. Abgesandte aus den europäischen Bergregionen und selbst aus Asien sind angereist. Die Ergebnisse werden wie die der anderen Vorbereitungskonferenzen im Mai 2002 auf dem Gipfel in Quebec präsentiert.
Es geht um Lösungen, sprich Projekte. Projekte wie etwa das glückliche Beispiel Biosphärenreservat Rhön, das für sich in Anspruch nehmen kann, die Einheimischen vom Ökomodell überzeugt und – zumindest vereinzelt – mit pfiffigen ökotouristischen Initiativen wohlhabend und zufrieden gemacht zu haben. Es geht auch um autofreie Kommunen und die vielen Versuche, Touristen mit Angeboten einer „sanften Mobilität“ zum „Urlaub vom Auto“ zu bewegen.
Aber Ökotourismusprojekte sind nicht bloß Hoffnungsträger mit eingebauter Erfolgsgarantie. Sie sind auch ein empfindliches Thema. Viele Projekte leben vom Engagement Einzelner.Vor allem Akteure aus den Urlaubsregionen der Dritten Welt fühlen sich mit ihren Erfahrungen in den internationalen Gremien übergangen. Etliche NGOs sind verärgert und fordern von Unep und WTO eine Neuausrichtung des Jahres zwecks Überprüfung des Ökotourismus. Die Debatte darüber läuft im Internet, eine thailändische Clearingstelle stellt kritische Stellungnahmen und Beispiele missglückter Ökotourismusprojekte ins Netz.
Doch hier in den Bergen sind die großen NGOs präsent. „Tourism Concern“ (England) präsentiert auf Großleinwand schockierende Fotos von nepalesischen Trägern mit abgeforenen Füßen – und demonstriert so, dass auch Naturtourismus Probleme macht. Frans de Man, Sprecher der NGOs des Nordens für die CSD-Folgekonferenzen von Rio, merkt kritisch an, dass zur „Laborsituation“ auch die Auswertung negativer Ergebnisse gehöre. Im Unterschied zu den NGOs des Südens sind auch die kritischen NGOs des Nordens integriert und bringen ihre Inhalte in die Diskussion. Ob „Ökologischer Tourismus in Europa“ (ÖTE) oder die „Naturfreunde Internationale“, ob WWF oder das Österreichische Institut für Integrativen Tourismus & Freizeitforschung, sie alle nutzen die Spielregeln der internationalen Parketts. Und bei allen Differenzen besteht doch Einigkeit über die Notwendigkeit einer besseren Vermarktung von Natur, seien es die Nationalparks oder die anderen intakten Restgebiete auf der Welt.
Beim Gastgeber Österreich kommen die Best Practices gut an. Zwar wirken die Alpenländer mit ihren Skiarenen in verkitschten Alpdörfern, dem röhrenden und stinkenden Verkehr in den Tälern wie das zweifelhafte Produkt einer monströsen Industrie, aber sie sind doch in ihrer Gesamtheit die Summe von Individualtourismus und den geschäftstüchtigen Praktiken Einzelner. Und die brauchen neue Ideen. Zwar gilt Ökotourismus als Nische mit begrenzter Nachfrage (die Rede ist von zirka 1 Prozent Marktanteil), aber längst sind die Folgen von Klimaänderung und dem Wechsel der Moden spürbar. Und wo die Gletscher abtauen und die Schneesicherheit wackelt, sind neue Vermarktungsstrategien in den stark erschlossenen Alpengebieten gefragt. Produktdifferenzierung ist das Gebot der Zukunft. Man signalisiert Informationsbedarf und den Wunsch nach Förderprogrammen.
An den politischen und Rahmenbedingungen der gewünschten „Nachhaltigkeit“ geht die allgemeine Aufmerksamkeit mehr oder weniger vorbei. Internationale Vertragswerke wie die „Alpenkonvention“ sind zäh und schwierig und doch sehr wichtig, wie etwa Dominik Siegrist, Präsident von Cipra-Schweiz deutlich macht. Denn hier verpflichten sich alle Alpenanrainerstaaten zu verbindlichen Leitbildern, zur Einschränkung umweltschädlicher Aktivitäten, vor allem aber zur Ausweisung von Ruheräumen. Grundvoraussetzungen also, damit das Laboratorium Ökotourismus noch Orte und Chancen zum Laborieren findet.
Eine gute Botschaft bringt Reinhard Klein von der EU: Die plant fürs kommende Jahr eine Agenda 21 für die Tourismuswirtschaft und will dafür im Herbst einen europäischen Tourismusgipfel einberufen.
Ökotourismus, so der Eindruck, ist gut fürs persönliche Engagement. Projekte beflügeln, sie bewirken Veränderungen zum Anfassen. „Do it!“ wie Peter Zimmer vom Beratungsbüro Futour in die Runde wirft, und „keine dicken Bücher mehr!“ Wenn die Ergebnisse der Vorbereitungskonferenzen von Brasilien, Afrika, den Alpenregionen, den Inselstaaten unter anderem auf den Tischen in Quebec liegen, dann wird der Ökogabentisch reich gedeckt sein. Mit vielen guten Ideen, mit denen Unep und WTO auch bei anderen Tourismusverantwortlichen die Werbetrommel für ein Umdenken im Tourismus rühren können. Über die vielen klimaschädigenden Flugkilometer, die für den Ökotourismus zurückgelegt werden, muss man wohl milde hinwegsehen.
Internet: www.world-tourism.org; www.uneptie.org; http://groups.yahoo.com/; www.twnside.org.sg/tour.htm; www.akte.ch
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