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Form ohne Form

■ Leuchten machen: Die Ausstellung „Personal Light“ im Kunsthaus

Gelb, rot oder blau, sauber oder schmutzig sei der Strom, wie die Werbung verkündet – und damit einen persönlichen Energiemix verkaufen will. Das ist gewiss eine eigenartige Vorstellung von einer Kraft, die leuchtend fast jede Form annehmen kann, aber selbst keine hat. Und eben ihre Nichtfassbarkeit hat sie bisher zum Symbol des Immateriellen, Spirituellen und Transzendenten gemacht, von der Aureole der Heiligen über den Speerschen Lichtdom zu den Leuchtkonzepten der Minimalisten.

Doch in der aktuellen Ausstellung des Kunsthauses geht es gerade nicht abstrakt-transzendental zu: Zehn Künstler, bis auf Elke Suhr alle männlichen Geschlechts, breiten ihre persönliche Arbeit mit Lichteffekten aus. Konzeptuell am interessantesten ist die Arbeit „Private Light/Public Light“, der offizielle deutsche Beitrag zur 24. Biennale von Sao Paulo 1998. Der Düsseldorfer Künstler Mischa Kuball hatte in einem groß angelegten Projekt bei zahlreichen Familien aus allen gesellschaftlichen Schichten der brasilianischen Megastadt einen Beleuchtungskörper durch eine Standartleuchte ersetzt. Das Vorher/Nachher dokumentieren Fotos, die eingetauschten Lampen sind im Museum aufgebaut, und so ist ein komplexes Soziogramm entstanden.

Dagegen entwickeln die anderen Künstler eher spielerisch persönliche Lichtorganismen: Daniel Hausigs Farbpigmentbänder, die durch ein selbstentwickeltes Verfahren zum Leuchten gebracht werden, können dazu benutzt werden, sich selbst in eine Lichtgestalt zu verwandeln. Und Patrick Raynauds verstreute Plastikschüsseln mit leuchtenden Körpernahaufnahmen eröffnen eine breites Assoziationsspektrum zwischen Fotolabor, Alltagsritualen und biologischer Versuchsanordnung.

Ein noch größeres Eigenleben führt die „Organismus“ genannte, Licht atmende Installation von sich bewegenden Glühlampen in großen Plastikhüllen: Sie stammt vom in Paris lebenden Yann Toma. Der hatte 1994 sogar das ganze abgewickelte Energieunternehmen Ouest Lumière aufgekauft, firmiert seitdem als dessen Präsident und betreibt seine künstlerische Arbeit nun als Erleuchtungs-Produktion.

Die ultimative Personalisierung des Lichtes in dieser übrigens von einem großen Energieversorger gesponserten Ausstellung bietet der Hamburger J. Georg Brandt: Erzeugt man gemäß seiner in Blindenschrift geschriebenen Anweisung mit geschlossenen Augen Druck auf die eigenen Augäpfel, erscheint ein inneres Leuchten, das selbst Blinde sehen können.

Hajo Schiff

Personal Light, Kunsthaus Hamburg, Klosterwall; bis 28. Oktober; Katalog 19 Mark

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