: Der „Gast“ macht große Probleme
CSU-Ehrengast Berlusconi sorgt für scharfe Sicherheitsvorkehrungen beim Parteitag in Nürnberg. Bayerns Innenminister Beckstein heizt Stimmung auf. Route der Großdemonstration wurde vorerst verboten. Autonome rufen zur Blockade auf
aus Nürnberg BERND SIEGLER
„Silvio Berlusconi ist ein willkommener Gast, die Polizei wird damit fertig werden.“ Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hält weiterin daran fest, dem umstrittenen italienischen Ministerpräsidenten als Ehrengast auf dem heute beginnenden CSU-Parteitag in Nürnberg die Hand schütteln zu wollen. Hat die CSU doch damit beste Gelegenheit, zu demonstrieren, was man im Freistaat unter Recht und Ordnung versteht.
Weit mehr als 1.000 Polizisten aus verschiedenen Bundesländern sind bereits in Nürnberg eingetroffen, um die von CSU-Innenminister Günther Beckstein an die Wand gemalten „gewalttätigen Aktionen von Globalisierungsgegnern und Chaoten“ im Keim zu ersticken.
Zuvor schon hatte die CSU ihr Parteitagsmotto „Wir packen an.“ aktualisiert. Unter dem Eindruck der „weltpolitischen Lage“ habe man, so Generalsekretär Thomas Goppel, die im März in Bayern stattfindenden Kommunalwahlen als Schwerpunktthema des Parteitags kurzerhand gekippt. „Sicherheit im 21. Jahrhundert“ heißt nun der Leitantrag, der auf dem zweitägigen Parteitag verabschiedet werden soll.
Mit Forderungen unter anderem nach einer Grundgesetzänderung, um der Bundeswehr auch den Einsatz im Inneren zu ermöglichen, will sich die CSU als Partei der inneren Sicherheit profilieren. Das scheint der Parteispitze vonnöten zu sein, nachdem Roland Schill bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen mit diesem Thema letztendlich die Union das Fürchten gelehrt hatte. Die Diskussion über Stoiber als Kanzlerkandidaten, angeheizt erneut durch den CSU-Vize Horst Seehofer, will die CSU-Spitze tunlichst vermeiden. Stattdessen soll der Parteichef und Ministerpräsident eine staatsmännische Rede halten.
Als Staatsmann will Stoiber auch Silvio Berlusconi begrüßen – eine Einladung, die bereits vor den tagelangen Ausschreitungen gegen das Gipfeltreffen der Regierungschefs der sieben größten Wirtschaftsstaaten in Genua ausgesprochen wurde. Eine Einladung, an der auch festgehalten wurde, nachdem der in Italien mit den Neofaschisten regierende Berlusconi von der Überlegenheit der westlichen Zivilisation gegenüber dem Islam schwadronierte. „Kein Jota“ werde man von den Plänen abweichen, verkündete Generalsekretär Goppel.
Lange im Vorfeld war auch klar, dass es gegen Berlusconis Auftritt bei der CSU Proteste geben wird. Ein Aktionsbündnis von rund 40 Menschenrechtsgruppen, Antifaschisten, Autonomen, Jusos und Gewerkschaften hatte sich unter dem Motto „Stoppt Berlusconi“ zusammengetan und mobilisiert für Samstag zu einer bundesweiten Großdemonstration nach Nürnberg. Autonome rufen zudem dazu auf, zum Parteitagsbeginn die Frankenhalle im Messezentrum zu blockieren.
Eine Woche vor dem Parteitag sorgte dann Innenminister Beckstein für eine Eskalation. Beckstein fabulierte von „Waffenlagern“ in Nürnberg, die „die militante Szene“ angelegt hätte. „Gewaltbereite Chaoten“ wollten in Nürnberg „eine Art Rache von Genua“ inszenieren.
„Mehr ein Aufputschmittel denn eine Beruhigungsspritze“, kritisierte Gerhard Keller, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, die Aussagen des Innenministers. Er forderte die CSU auf, den italienischen Ministerpräsidenten auszuladen. Die mit der CSU im Nürnberger Stadtrat koalierenden Freien Wähler Nürnberg, die Becksteins Worte als „äußerst provokativ“ werteten, hatten noch eine bessere Idee: Sie schlugen der CSU vor, „ihren Parteitag in Italien abzuhalten“.
Die Stadtratsmehrheit hat in Nürnberg auf ihre Weise reagiert. Das Künstlerhaus, das frühere „Komm“, bleibt heute und morgen geschlossen, und die Stadt verbot dem Bündnis, quer durch die Innenstadt zu demonstrieren. Die Veranstalter wollen nun, nachdem der Ort der Auftaktkundgebung am Weißen Turm unbestritten ist, die Demonstrationsroute vor Gericht einklagen.
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