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mit sicherheit mehr sicherheit

von WIGLAF DROSTE

Der mediale Beschuss zeigt Wirkung. Als das Taxi am Flughafen hält und direkt dahinter ein islamgrüner VW Jetta mit drei sehr arabisch aussehenden männlichen Insassen um die 40 einparkt, übersetzt der propagandaüberschwemmte Kopf die Botschaft so: Alles klar. Das war’s dann. Adieu, du schönes Leben . . . Und schickt einen leisen Zweifel hinterher: Würden arabische Terroristen VW Jetta fahren? Man hört ja immer wieder, dass diese Leute krank sein sollen – aber so krank?

Jedenfalls wurde es für diesmal nichts mit dem finalen Tschüssikowski. Obwohl doch die uniformierten Flugsicherheitssimulanten sehr darum bemüht waren, den Eindruck zu erzeugen, Armageddon sei hier und jetzt. Ob ich eine Nagelschere im Handgepäck führe, fragte mich ein Herr mit Schnäuzer und kuckte streng. Ich schüttelte den Kopf und durfte also passieren. Wollte er mit dieser Maßnahme mich beruhigen oder sich? Oder die paar anderen Passagiere, die das ungeheure Risiko eines Flugs auf sich nahmen? Scharf musterte mich ein zweiter Sicherheitsmann: Mein Haar ist ein bisschen dunkel und mein Antlitz stoppelig, da ich nichts davon halte, der Welt mit total rasiertem Gesicht zu nahe zu kommen. In hispanischen Ländern würde ich, da meine Haar nicht pechschwarz ist, verächtlich als „rubio“ gehandelt, als Blonder – hier dagegen reicht das bisschen Dunkel, um als potenzieller gottverdammter arabischer Terrorist beargwöhnt zu werden. So ungerecht ist die Welt; „Nord-Süd-Gefälle“ hieß das in den Siebzigerjahren.

Die Maschine war, Panik sei Dank, angenehm leer. Eine freundliche Stewardess brachte Wasser und Orangensaft und sagte: „Ich kenne Sie. Sie schreiben das Feuilleton der FAZ.“ Oha, dachte ich – das ganze Feuilleton? Jeden Tag? Sehe ich aus wie ein mieser Streber? Das wäre bitter. Weil die Flugbegleiterin aber einen hübschen Mund und die Invektive als solche sichtlich nicht gemeint hatte, verzieh ich ihr sofort. Behaglich lehnte ich mich zurück und nickerte, zählt es doch zu den köstlichsten Dingen im Leben, ein Schläfer zu sein.

Es ist ja schwer in Ordnung, sich sicher zu fühlen, warm und kuschelig. Sicherheitsfanatiker und Paranoiker allerdings vermögen noch im lässigsten Mann ein Gefühl des Unbehagens und des Bedrohtseins zu implantieren. Im Hotel Bern in Bern wird der Gast mit einem „Sicherheits-Credo“ konfrontiert, das ihm das Blut in den Adern gefrieren lässt: „Die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Gäste, die Erhaltung deren Leben, Gesundheit und physischer Unversehrtheit, aber auch die Erhaltung unserer Vermögenswerte, sind unser oberstes Anliegen.“ Wer bis dahin angenehm angstarm durchs Leben sirrte, kommt ins Grübeln: Ist das hier ein Hotel oder ein Kriegsschauplatz? „Wir alle, Mitarbeiter, Kaderangehörige und ich als Direktor sind der Sicherheit aller Menschen in unserem Haus in hohem Maß verpflichtet und setzen alles daran, diese in jeder Phase zu gewährleisten. Bern, 19. Mai 1992, Hotel Bern, Ihr Gastgeber Peter Schiltknecht, Direktor.“

Wo lernte Otto Schily, die Welt mit Angst zu beschmieren? In Bern, am 19. Mai 1992.

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