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die fawlty towers von ludwigshafen

von RALF SOTSCHECK

Das Konzert war großartig. Kíla, die eine wunderbare Mischung aus traditionellen, ethnischen Afro- und Reggae-Rhythmen spielen, haben das Irland-Festival in Ludwigshafen eröffnet. Danach wollen wir im Hotel, nennen wir es „Excalibur“, ein Bier trinken, doch sonntags ist die Hotelbar geschlossen. Wenigstens gibt es eine Mini-Bar auf dem Zimmer. Der Dudelsackspieler Eoin Dillon und ich wollen die Getränke holen, um sie mit den anderen fünf Musikern im kargen Aufenthaltsraum zu teilen. Steffi und Rike, zwei Bekannte von Eoin, bieten an, beim Tragen zu helfen.

Wir kommen nur bis zum Fahrstuhl. Der Nachtportier, der Hotelbesitzer Herr N. und sein schnauzbärtiger Kumpan blockieren die Tür, erklären aufgebracht, dass hotelfremde Personen nicht nach oben dürfen und schubsen uns aus dem Fahrstuhl. Das ärgert Eoin. Er beschimpft Herrn N., wobei Worte wie „Fuck you“ fallen, die dem polyglotten Hotelbesitzer nicht übersetzt werden müssen. Er ruft die Polizei.

Fünf Minuten später tauchen eine Einsatzleiterin, fünf Beamte und ein Rambo auf. Herr N., ein von Natur aus unfreundlicher Zeitgenosse, der – wie John Cleese in „Fawlty Towers“ – seine Gäste für Feinde hält, erklärt den Ordnungshütern, er wolle nicht um drei Uhr nachts seinen Nachtportier ermordet vorfinden. Das sei nicht unsere Art, wende ich ein, doch Herr N. traut uns alles zu. Eoin sei schließlich mit einer Bierflasche bewaffnet gewesen.

Deshalb soll er das Hotel verlassen. Der schwarz gekleidete Sheriff bestimmt, dass darüber nicht diskutiert werde: „Es geht hier ums Hausrecht.“ Eoin sagt, dass er nichts dagegen habe, das Hotel zu verlassen, wird im selben Moment jedoch vom Beschützer aller Nachtportiers aus dem Sessel gezerrt: „Sie verlassen das Hotel auf der Stelle.“ Die rüde Behandlung des kooperationsbereiten Musikers löst bei mir einen kurzen Wutanfall aus, worauf der eifrige Beamte mir eine Blutprobe androht, meinen Pass verlangt und dann misstrauisch das irische Dokument beäugt: „So wie sie deutsch reden, sind sie doch nie und nimmer Ire.“

Ich frage ihn nach seinem Namen. Er überreicht mir eine fotokopierte Visitenkarte: „Polizeiobermeister Thomas K.“ Das „ober“ ist handschriftlich in „haupt“ verbessert. Ah, Klein-Rambo ist gerade befördert worden. Die Einsatzleiterin deutet an, dass sie die Sache verfolgen würde, sollte ich etwas über den Vorfall schreiben. Ich werde mich hüten.

Weil wir alle im Ausland leben, sollen wir 300 Mark als Sicherheit hinterlegen. Als Eoin das Geld nicht zügig genug aushändigt, entwindet ihm der frischgebackene Hauptmeister die Scheine und stellt fassungslos fest: „Das schöne Geld – total zerknittert.“ An mich gewandt fügt er hinzu: „Da draußen sind 100.000 Ludwigshafener, die erwarten, dass wir auf der Straße für sie im Einsatz sind.“ Im Morgengrauen zieht die beherzte Truppe endlich ab.

Am nächsten Tag sind die Beamten zurück: Herr N. hat sie gerufen, weil er an unserem Tisch Drogen gefunden habe – irgendwelche Tabletten. Vermutlich hat Rambo gestern nacht seine Valium verloren.

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