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Nato warnt vor neuen Unruhen

Erneut verschiebt das mazedonische Parlament die Ratifizierung von Verfassungsänderungen zugunsten der albanischen Minderheit. Präsident Boris Trajkowski bittet seinen US-Amtskollegen um Mithilfe bei Änderung des Friedensplans

von ERICH RATHFELDER

Das Ringen um einen dauerhaften Frieden in Mazedonien könnte vielleicht wieder einmal vergeblich gewesen sein. Die Nato jedenfalls warnte am Mittwoch vor Unruhen, sollten die politischen Reformen zu Gunsten der albanischen Minderheit weiter blockiert werden. Nato-Generalsekretär Robertson sprach sogar davon, dass die Frustration der albanischen Bevölkerung wieder in Gewalt umschlagen könnte. Am gleichen Tag hatte das Parlament erneut die Ratifizierung der Reformen aufgeschoben. Was die slawisch-mazedonische Seite dazu treibt, dem internationalen Druck zu widerstehen und sogar die Geberkonferenz vom 15. Oktober platzen zu lassen, bei der es um Finanzhilfen in Höhe von mehreren Millionen Mark hätte gehen sollen, ist nicht so leicht auszumachen. Nach Einschätzungen westlicher Organisationen gibt es ein ganzes Bündel von Interessen, die eine Rolle spielen, manches jedoch bleibt undurchsichtig.

Tatsache ist, dass die Verabschiedung der Verfassungsänderungen, die 45 Tage nach dem Abkommen von Ohrid vom 13. August hätte abgeschlossen sein müssen, bislang nicht erfolgte, weil die Zwei-Drittel- Mehrheit im Parlament nicht zustande kam. Die mazedonischen Nationalisten tun sich schwer damit, die Präambel der Verfassung, wie in Ohrid vereinbart, zugunsten einer Formulierung zu verändern, die Mazedonien als „Republik seiner Bürger“ bezeichnet. Denn dann wäre Mazedonien nicht mehr der Nationalstaat der slawischen Mazedonier.

Präsident Boris Trajkovski, der diese Formulierung akzeptieren will, machte in einem gestern veröffentlichten Brief an US-Präsident Bush einen neuen Vorschlag, um einen Weg aus der Sackgasse zu weisen. Demnach soll das multinationale Mazedonien Republik „des mazedonischen Volkes, der Albaner, Türken, Roma, Serben, Bosnier und anderer sein“. Sollte dies nicht geschehen, würde die ganze bisherige Arbeit „zusammenbrechen“, erklärte der Präsident.

Das ist nicht nur so dahingesagt. Für die Albaner aller Fraktionen kommt die Formulierung nicht in Frage, weil sie nichts verändert. Die demobilisierte UÇK, die bisher stillgehalten hat, könnte sich nicht mehr an die Absprachen gebunden fühlen. Und auf slawisch-mazedonischer Seite brennen viele Gruppierungen wieder auf bewaffnete Auseinandersetzungen.

So steht das Prestige der Nato und insbesondere Deutschlands auf dem Spiel. Denn Deutschland hat die führende Rolle bei den Nato-Truppen übernommen. Bei seinem derzeitigen Besuch in Mazedonien wird Verteidigungsminister Scharping in die Pflicht genommen. Es liegt nun vor allem an Deutschland, den Friedensprozess voranzubringen.

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