: Wem die Stunde schlägt
Die Klosterbrüder aus Segeberg fühlten sich vom Lübecker Bischof um den Zehnten geprellt und lästerten über ihn rum. Das ließ der sich nicht bieten und zog vor Gericht. Der Erzbischof von Bremen setzte dem Streit ein Ende und teilte die Abgabe der Bauern einfach durch zwei. Das Urteil von anno Domini 1223 hob das Dorf Seester im Kreis Pinneberg aus der Anonymität, doch kein Glockenschlag verbreitete die frohe Kunde.
Die noch heute existierende vorreformatorische Kirche des Dörfchens entstand erst 1428 – ohne Turm und ohne Glocke. Franz Julius Michaelis, der 1638 im Pulverdampf und Pestgestank des 30-jährigen Krieges Pfarrer von Seester geworden war, setzte sich für den Bau einer großen Glocke ein. Wenig später machte sich der Hamburger Gießereimeister Herman Benninck ans Werk, schmolz Metall, fand die passende Legierung aus Bronze, Stahl und Eisen. Aus dem Guss wurde ein 2073 Pfund schweres Ungetüm geboren, das erstmalig 1668 ertönte und bis heute über 20.000-mal mit tiefem Ton Taufen, Hochzeiten, Konfirmationen oder Beerdigungen einläutete. Selbst den Tod verkündet sie noch nach altem Brauch. Segnet ein Dorfbewohner das Zeitliche, schlägt die Glocke dreimal.
Am Sonntag, um 10 Uhr läutet sie in eigener Sache: Die Glocke feiert ihren 333. Geburtstag. „Mit einem erweiterten Gottesdienst, Orgelspiel und einer Aufführung von Schillers Glocke, als „Neuinszenierung“, wie Joachim Senk von der Kirchengemeinde betont, der sich auf ein „außergewöhnliches“ Fest freut.
Gunther Sosna
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