kachelofen-tipp (1): museum in velten:
In einem einzigen Jahr wurden 100.000 Kachelöfen allein nach Berlin geliefert. Das war 1905, und die Öfen kamen aus der Ofenstadt Velten, nordöstlich von Berlin, die ihren Ruf den reichen Tonvorkommen und den damals fast 40 Ofenfabriken verdankt. Bis zum Siegeszug der Zentralheizung um 1930 blühte hier das Geschäft mit den Kacheln.
Heute noch zeugt das 1994 eröffnete Kachelofen- und Keramikmuseum von der glanzvollen Vergangenheit der Kachelofenbauerstadt. Auf zwei stillgelegten Etagen einer alten Ofenfabrik kann man etwa 100 Exponate aus den letzten drei Jahrhunderten bestaunen. In der weitläufigen Halle gibt es frei stehende Öfen, Fragmente, künstlerisch gestaltetes Kachelzeug und den typischen weißen Schmelzkachelofen aus Velten. „Diese Öfen haben in Berlin um 1900 das Aussehen der Wohnungen bestimmt“, erzählt Monika Dittmar, Leiterin des Kachelofenmuseums.
Daneben gibt es Kachelöfen aus Österreich und der Schweiz, aus Nürnberg, Meißen, Leipzig und Hamburg. Hinzu kommen eiserne Öfen und Küchenherde. Der älteste Ofen stammt von 1743. Er stand einst in einem Brandenburger Herrenhaus und wurde nicht direkt, sondern von einer Nebenkammer aus befeuert. Solche gekachelten Großexemplare waren der schiere Luxus, schön anzusehen, aber wenig energieeffizient. Alles in allem wohl „eher etwas für begüterte Klassen“, wie Monika Dittmar weiß.
Mithin wohl nichts für die Kachelmacher, die auf den Originalfotografien von Waldemar Titzenthaler festgehalten sind. Die Bilder dokumentieren die Kachelherstellung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dass nicht nur Ofenkacheln aus dem berühmten Veltener Ton hergestellt wurden, zeigen zahlreiche Stücke künstlerisch gestalteter Gebrauchskeramik, so auch jene der kürzlich verstorbenen Hedwig Bollhagen.
Wer tiefer in die Geheimnisse der Kachelkunst eintauchen möchte, sollte die Gelegenheit einer Führung durch das Museum und die Produktionsräume der 1872 gegründeten Ofenfabrik nutzen. Heute werden dort die Kacheln nicht mehr wie früher gepresst, sondern gegossen, und die Brenn- und Trocknungszeiten haben sich inzwischen erheblich verkürzt. Neben Ofenkacheln stellt man in der Fabrik historische keramische Grabsteine her oder fertigt nach altem Vorbild Fußbodensteine.
Fachkundige Beratung durch einen Ofensetzer bekommt man an Samstagen. Dabei werden nicht nur neue Öfen an den Mann gebracht, sondern auch Tipps und Tricks zum richtigen Heizen. KAJA
www.ofenmuseum-velten.de, Wilhelmstr. 32, 16727 Velten, geöffnet: Di–Fr 11–16 Uhr, Sa und So 13–17 Uhr; Führungen: Mi 15 Uhr
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