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Der Kreis wird kleinerKein Geburtstag ohne mich

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Als Hypothese tat Kommissionssprecher Jonathan Faull gestern die Journalistenfrage ab, ob Romano Prodi zum Minigipfel nach London gefahren wäre, wenn ihn jemand eingeladen hätte. Wie der Kommissionschef über diese Art von Außenpolitik im kleinen Kreis denkt, ist spätestens seit dem informellen Gipfeltreffen Mitte Oktober in Gent kein Geheimnis mehr. Damals hatte Prodi den Dreier-Kriegsrat zwischen Schröder, Blair und Chirac vor Beginn des eigentlichen Treffens aller fünfzehn Regierungschefs als schädlich für die gemeinsame europäische Außenpolitik bezeichnet.

Berlusconi war damals tief verletzt. Inzwischen führen sich auch die anderen Staatschefs wie Drittklässler auf, die erfahren haben, dass der Kindergeburtstag ohne sie steigen soll. Die Frage, welche gemeinsame Antwort die EU auf die verfahrene Lage in Afghanistan finden könnte, tritt darüber in den Hintergrund.

Noch vor Beginn der Angriffe hatten Brüsseler Politiker dafür plädiert, den Dialog mit gemäßigten islamischen Regierungen zu verstärken. Gestern Nachmittag begann in Brüssel die zweitägige Mittelmeerkonferenz mit den Außenministern der EU und ihren Kollegen aus zwölf Mittelmeeranrainerstaaten. Und auch die diplomatischen Bemühungen um eine Lösung des Palästinakonflikts wurden intensiv fortgesetzt. All diese Bemühungen werden zu Sandkastenspielen degradiert, wenn die großen EU-Länder anderenorts schweres Kriegsgerät in die Waagschale werfen. Kommenden Dienstag fährt Chirac wieder einmal nach Washington, schon einen Tag später ist Tony Blair bei Bush zu Gast und zeigt der Welt, wie fest gefügt die neue Waffenbrüderschaft ist.

Aus amerikanischer Perspektive könnten die Dinge kaum besser laufen. Bush hat die Europäer in seine Anti-Terror-Allianz eingebunden, ohne auf ihre Sonderwünsche Rücksicht nehmen zu müssen. Da die meisten Regierungen einzeln mit dem großen Bruder verhandeln, haben europäische Appelle für eine Feuerpause, um den Ramadan zu respektieren oder um Hilfslieferungen zu ermöglichen, in Washington kein Gewicht.

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