: Empörung in der Polizei
Die Kritik des GdP-Chefs an der Polizeiführung hat für Wirbel gesorgt. Alles schaut nun auf Gerd Neubeck, den kommissarischen Polizeipräsidenten. Der will das Klima in den Behörden verbessern
von PLUTONIA PLARRE
Die Hauptstadtpolizei ist Schimpf und Schande gewöhnt. Aber dass der Chef der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) Eberhard Schönberg die Polizeiführer in einem Zeitungsartikel als eine „Ansammlung uniformierter Duckmäuser“ bezeichnet, geht für die Herren mit den goldenen Sternen auf den Schulterklappen denn doch zu weit.
„Die Empörung im Landesschutzamt ist groß“, sagt Vizepräsident Gerd Neubeck, der seit dem Ausscheiden von Polizeipräsident Hagen Saberschinsky kommissarisch die Behörde leitet und gern dessen Nachfolger würde. Er selbst fühle sich von dem Artikel nicht angesprochen, sagt Neubeck. „Ich kann aber verstehen, dass sich die Polizeiführer verunglimpft fühlen.“ Die GdP müsse sehen, wie sie den Schaden wieder gutmache. Neubeck warnt davor, es zu einem Bruch kommen zu lassen. Angesichts der Haushaltslage der Stadt sei eine vernünftige Kooperation zwischen Polizeibehörde und Gewerkschaft wichtiger denn je.
Der Artikel des GdP-Vorsitzenden war am 25. Oktober just in der Zeit erschienen, als Polizeipräsident Saberschinsky in den Ruhestand verabschiedet wurde. Saberschinsky habe die Polizei nicht nur mit seinem autokratischen Führungsstil und gestörten Verhältnis zur Presse geprägt, schreibt Schönberg. In der Behörde herrsche ein Klima der Angst, Anpassung und des vorauseilenden Gehorsams. Die Beamten würden gegängelt und schikaniert.
Die Reaktion hatte sich gewaschen. Mit „Empörung und Verachtung“ habe man „den in seiner Diktion nicht mehr zu überbietenden Artikel zur Kenntnis genommen“, erklärten ranghohe Polizeiführer auf der Website der Polizei. Der Direktor beim Polizeipräsidenten, Michael Wilhelm, geht sogar so weit, die Ablösung des Gewerkschaftschefs zu fordern. Doch der denkt gar nicht daran. Bei der Polizeibasis und in den Dienststellen habe er viel Zustimmung für den Artikel bekommen, sagt Schönberg: „Manche sind sogar der Meinung, dass ich es noch viel krasser hätte sagen können.“
Viele Kollegen fühlten sich verunsichert und unter Druck gesetzt. Die Reaktion der Polizeioberen belege einmal mehr, dass diese die Missstände nicht wahrhaben wollten. Es sei ihm nicht darum gegangen, jemanden persönlich zu treffen, betont Schönberg. Der Ausspruch „Ansammlung uniformierter Duckmäuser“ sei im Übrigen ohne Rücksprache von der Zeit-Redaktion in den Text eingefügt worden. Schönberg möchte den Artikel als Plädoyer verstanden wissen, den Wechsel an der Spitze des Hauses zu einem Klimawechsel in der Behörde zu nutzen.
Tatsächlich sind die Chancen für eine Neuorientierung der 27.000 Männer und Frauen starken Berliner Polizei so gut wie selten. Nicht nur der Posten des Polizeipräsidenten ist vakant, gesucht wird auch ein neuer Leiter für die Schutzpolizei. 2003 steht ein großes Stühlerücken bevor, wenn der langjährige Chef, Gernot Piestert, in Pension geht.
Alle Augen ruhen nun auf dem Vizepräsidenten Gerd Neubeck, der gute Chancen hat, Präsident zu werden. Die Stelle ist seit drei Wochen ausgeschrieben. Über die Zahl der Bewerber schweigt sich die Innenverwaltung allerdings aus. Der 50-jährige Neubeck war Oberstaatsanwalt in Nürnberg, bevor er im Frühjahr 2000 als Vizepräsident nach Berlin kam. In der Öffentlichkeit ist er bislang kaum in Erscheinung getreten.
Seine Hauptaufgabe bestand darin, die Verwaltungsreform im Landes-Polizei-Verwaltungsamt umzusetzen, „eine harte Nuss“, wie er sagt. Im Gegensatz zu Saberschinsky gilt Neubeck als modern, offen und kommunikativ. Schönbergs Kritik teilt der Vizepräsident allerdings nicht. Er habe in der Behörde kein Klima der Angst erlebt, aber er kenne auch noch nicht alle Dienststellen. Auch Saberschinsky habe in den Führungsrunden mit seinen Mitarbeitern diskutiert. Trotzdem klingt es so, als ob Neubeck Schönberg durch die Blume Recht gibt, wenn er ankündigt: „Ich werde versuchen, zu einer stetigen Klimaverbesserung und einem offenen Umgang beizutragen.“ Dazu gehöre für ihn auch ein anderer Umgang mit der Presse. Die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei müsse „transparenter“ werden.
Er selbst, sagt Neubeck, bevorzuge einen „kooperativen Führungsstil“, was jedoch impliziere, dass „irgendwann einer entscheiden muss“. Wenn es darum gehe, unpopuläre Dinge durchzusetzen, könne er aber auch hart sein, stellt er klar. Wunder dürfe man von ihm aber nicht erwarten, sagt Neubeck. Aber vielleicht die eine oder andere Überraschung.
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