: Faszination und Gewalt
■ Faschistische Ästhetik in der Diskussion: Heute beginnt im Kino 46 eine Reihe mit beinahe allen Regiearbeiten der heute 99-jährigen Leni Riefenstahl
Ihre Filme sind immer noch eine wunde Stelle – nicht nur für die Deutschen. Auch in Hollywood, das ja nun ganz bestimmt nicht für sein Geschichtsbewusstsein berühmt ist, gab es viele Proteste, als bekannt wurde, dass Jodie Foster einen Spielfilm über das Leben von Leni Riefenstahl produzieren und darin die Hauptrolle spielen will.
Wenn die Rockgruppe „Rammstein“ eher dummdreist und nur der reinen Provokation willen in ein Musikvideo Einstellungen aus „Olympia“ einschneidet, dann gibt es den Protestaufschrei, auf den die Band natürlich spekuliert hat. Das Prekäre an Leni Riefenstahls Bildern ist, dass sie immer noch wirken. „Jud Süß“ von Veit Harlan sieht heute aus wie ein widerliches, museales Machwerk, aber in „Triumpf des Willens“, „Olympia“ oder „Tiefland“ gibt es nun mal leider Einstellungen, die zeitlos schön sind. Leni Riefenstahl war der/die einzige KünstlerIn des Dritten Reiches, deren Werke man nicht als völkischen Kitsch abtun kann.
Jodie Foster hat nicht Unrecht, wenn sie sagt, Riefenstahl habe „so falsche Entscheidungen getroffen, dass frau daran nur verzweifeln kann“, sie sei „aber zugleich auch die vielleicht talentierteste Filmemacherin des letzten Jahrhunderts.“
Diesem Widerspruch kann man eine Woche lang vom 14. bis 20. November im Kino 46 nachforschen, denn dort werden fast alle Regiearbeiten von Frau Riefenstahl vorgestellt – die meisten als Filme auf der Leinwand, einige als Videoprojektionen im Rahmen von Vorträgen. Der Reichsparteitagsfilm „Triumpf des Willens“ darf etwa (auf Geheiß von Leni Riefenstahl) nicht öffentlich vorgeführt werden. Deshalb gibt es am Montag um 18 Uhr „eine Analyse“, bei der dann der größte Teil des Films innerhalb eines Vortrags von Herbert Heinzelmann doch zu sehen ist.
Ähnlich wird am Freitag um 18 Uhr Riefenstahls Opernverfilmung „Tiefland“ präsentiert, in dem es verstörend schöne Schwarzweißaufnahmen von Berglandschaften gibt, die wie Gemälde komponiert sind und im Kino bis heute ihresgleichen suchen. Aber bei den Dreharbeiten wurden Sinti und Roma aus KZs als Statisten eingesetzt, also auch dieser letzte (absichtlich völlig unpolitisch gehaltene) Film von Riefenstahl ist durch Schuld befleckt.
Selbst ihr Debütfilm, das naiv romantische Bergmärchen „Das Blaue Licht“ (Mittwoch, 18 Uhr) wird heute mit einem suchenden Blick auf die ersten Spuren einer faschistischen Ästhetik hin angesehen. Wie sich diese bei Hitler und Riefenstahl entwickelte, kann man am besten anhand des ersten Reichsparteitagsfilms „Sieg des Glaubens“ von 1933 (Donnerstag 18 Uhr) sehen, denn in diesem selten gezeigten Film kann man beide beim Üben beobachten.
Hitlers Gesten wirken oft noch ungeschickt, er wird von Riefenstahl in Situationen und Perspektiven gezeigt, die alles andere als heroisch sind und auch ihre Montage wirkt noch etwas holprig. In „Olympia – Fest der Völker“ (Dienstag 20.11., 18 Uhr) kann man schließlich sehen, wie meisterlich Leni Reifenstahl mit ihren Bildern verführen konnte.
Umstritten ist die drei Stunden lange Dokumentation „Die Macht der Bilder“ (Teil I am Sa. & Teil II am So., jeweils 18 Uhr), von Ray Müller über Werk und Leben von Frau Riefenstahl. Viele Kritiker warfen dem Filmemacher vor, ihr nicht genug Widerstand entgegen gesetzt zu haben, so dass sie „ungestört die Mythologie präsentiert, die sie in all den Jahren um ihre Person herumgesponnen hat“ (taz).
Nun ist es einerseits durchaus erhellend, wenn man im Film sieht, mit welchem Willen sich die über Neunzigjährige gegen Müller durchsetzen kann, und der Filmemacher war immerhin ehrlich genug, diese Szenen im Film zu lassen. Und andererseits ist gerade die Selbstinszenierung von Leni Riefenstahl vielleicht enthüllender, als es ein Dokumentarfilm mit politisch korrektem Kommentar usw., hätte sein können: Wenn man das Leuchten in den Augen von Leni Riefenstahl gesehen hat, die am Schneidetisch bei Sequenzen aus „Triumpf des Willens“ begeistert davon erzählt, mit welchen technischen Tricks sie welche Effekte erzielt hat, dann bekommt man einen sehr authentischen und fast schmerzlich intensiven Eindruck davon, welch Geistes Kind die Greisin auch heute noch ist.
Wilfried Hippen
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