: Der große Zampano
Ronaldo und seine ehrenwerte Gesellschaft haben Hamburg in italienisches Azur eingekleidet. Das Klima ist mediterran geworden ■ Von Peter Ahrens
Ronald Schill weckt den Italiener in dir. Der schlecht gelaunte beschnurbärtete Polizeihauptmeister PHM mutiert dank einer azurblauen Ausgehuniform zum Carabiniero, augenzwinkernd lässt er das Strafmandat der bella Signora an der Strada della Grindel verschwinden. Erst ein Schill muss regieren, um mediterrane Lebensart nicht nur in den calvinistisch-norddeutschen Beamtenapparat hineinzuzwingen. Die ganze Stadt atmet auf und summt Adriano Celentanos Klassiker ,Sul la Reeperbahn mezzo notte e mezzo'.
Die Carabinieri schlendern locker über die Piazza am Schulterblatt in Richtung Flora Rossa, um einen Catenaccio herumzulegen. Entspannt, locker, braungebrannt – Ronaldo Schilli hat dieser Stadt schon nach Wochen im Senat mit seinem Stil den Stempel aufgedrückt. Die Berlusconi-Azzuri, wie die Ordnungshüter genannt werden, erhielten blaue Benneton-Uniformen, und alles wurde anders.
Schilli und seine Partei, liebevoll La Mafia genannt, haben es geschafft, ein neues Regierungsgefühl zu kreieren. Ämterhäufung durch seinen Vertrauten Dirk Signor di Gnocci, Chef der Geheimloge P2? Dio mio, machen das nicht alle? La Bionda Katrina Amica, die Ilona Staller des Nordens, il bello Mario, der die chaotischen Verkehrsverhältnisse (Ferraristi sechsspurig auf dem Rathausmarkt) mit einem Lächeln quittiert – alle frönen dem Dolce Vita. Schillis Koalitionspartnerin, die Democrazia Christiana, wird zu den Pflichtterminen geschickt (Bürgerschaft), Schillis Cosa Nostra widmet sich den schönen Dingen der Macht (Arena di Popolo, Vino di Weretka).
Es brauchte Überzeugungsarbeit. Dabei half Schilli, dass er die Medien der Stadt beherrscht. Hamburgo Uno, Il Carlo a la NDR, Il Mondo, L'Imago di Domenica – sein Reich. Mit jedem Giornale Hamburgense kehrte die Lebensfreude auf die fahlen Wangen der Hanseaten zurück.
Die Schuhe aus Mailand, die Gürtelschnallen aus Padua, der Duft von Hugo Boss, der Schlagstock glänzt – aus ganz Deutschland wollen Carabinieri nun nach Hamburg kommen. Die Beamten sind inzwischen von sämtlichen Castor-Transporten freigestellt, weil sie sich im Wendländer Matsch das Stöffchen ruinieren könnten. Das Amt des Chefcouturriers des Senats, das nach einer internen Ausschreibung an Signor di Gnocci (30.000 Euro Monatsgehalt) fiel, gilt inzwischen als Aushängeschild der Regierung. Di Gnocchi will dafür bei seinem Posten als kommissarischer Kultursenator (18.000 Euro) künftig „ein bisschen kürzer treten“, um sich intensiver der Aufgabe als Olympia-Koordinator der Stadt (45.000 Euro) zu widmen. Dazu muss jedoch erst der Streik der Sportwarte beendet werden, die sich dem Ausstand der Fluglotsen angeschlossen haben. Schilli hat die Verhandlungen mit ihnen schon mehrfach verschoben, weil dazu erst die entsprechenden Akten studiert werden müssten: „Domani“, lächelt er unwiderstehlich und verabschiedet sich lässig ins „Valentinos“.
Jetzt fehlt nur noch eines, um die Hansestadt endgültig italienischen Verhältnissen anheim fallen zu lassen: Der schnelle Regierungswechsel.
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