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Kopfnüsse für die heulende Basis

So werben grüne Minister um Zustimmung zum Kriegseinsatz der Bundeswehr: Joschka Fischer stellt die Vertrauensfrage, Jürgen Trittin mackert: „Hört auf zu heulen“. Die Basis fühlt sich „vergewaltigt“ und ringt weiter um Formelkompromisse

von LUKAS WALLRAFF

Ganz oder gar nicht. Für den Krieg oder gegen die Koalition. Dazwischen: nichts mehr. Jedenfalls, wenn es nach Joschka Fischer geht. Eine Woche nach dem Bundeskanzler stellt der Außenminister am Wochenende seine eigene Vertrauensfrage auf dem grünen Parteitag in Rostock. „Die Basis muss sich entscheiden“, wird Fischer im heutigen Stern zitiert, „ob sie die Regierungslinie vollständig mitmachen oder aus der Regierung aussteigen will.“ Es könne nicht sein, dass seine grünen Parteifreunde in internationalen Fragen „alles bei mir abladen und mich hängen lassen. Das geht nicht länger so.“

Auch Umweltminister Jürgen Trittin forderte erneut ein klares Ja auf dem Parteitag zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Seine Botschaft an die immer noch widerspenstige Basis: „Hört auf zu heulen!“

Trotz der starken Worte der grünen Minister war gestern längst nicht abzusehen, ob der Parteitag ihnen folgt und den Bundestagsbeschluss vom Freitag absegnet. Die meisten Landesverbände haben zwar signalisiert, dass sie eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition wünschen. „Viele der Delegierten wissen haargenau, worum es geht“, glaubt Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Ein uneingeschränktes Ja zum Bundeswehreinsatz bedeutet das aber noch lange nicht.

Vor allem in den ostdeutschen Landesverbänden ist die Bereitschaft gering, Fischer „vollständig“ zu folgen. Die Vorstandssprecher aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erklärten gestern gegenüber der taz, sie würden einer nachträglichen Bestätigung des Bundestagsbeschlusses nicht zustimmen. Ein Ja ist von ihnen allenfalls dann zu erwarten, wenn eine Klausel eingefügt würde, die den Einsatz der Bundeswehr auf „polizeiliche und humanitäre Aktionen“ beschränkt.

Wichtiger sind die Stimmen aus dem mitgliederstärksten Verband Nordrhein-Westfalen. Ob die Mehrheit der NRW-Delegierten auf Fischers Linie einschwenkt, war gestern noch offen. „Die Stimmung ist nach wie vor angespannt“, erklärte die wehrpolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, die wahrlich nicht im Verdacht steht, besonders kriegskritische Positionen zu unterstützen. Der Kommandoton der Minister kommt jedenfalls gar nicht gut an.

Nicht alle gehen so weit wie der Brandenburger Landeschef Roland Vogt, der von dem „Versuch einer mentalen Vergewaltigung“ spricht. Aber auch Antje Vollmer sagte gestern, es sei für die Grünen auf die Dauer verheerend, „wenn Joschka fast hinterm Horizont und meist spontan handelt und wir dann durch den Faktendruck im Hauruckverfahren die Partei nachzwingen“.

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